piwik no script img

Das Patriarchat als Innovationsstau

Das „Institut für Innovations- und Zukunftsforschung“ untersucht Technik, Zukunft, Geschlechterverhältnis  ■ Von Ute Scheub

Peter Doege und Brigitte Fenner sind ein Paar, sie haben also, wenn man so will, ein Geschlechterverhältnis, und sie untersuchen gemeinsam Geschlechterverhältnisse. Die beiden sind das Herz des „Instituts für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung“, das sich – in einer bundesweit wohl einmaligen Themenmischung – der Erforschung von Techniksteuerung, Regionalentwicklung und gender problems widmet.

Doege und Fenner sind die einzigen weit und breit, die den Zusammenhang zwischen Globalisierung und Geschlechterverhältnissen untersuchen. „Die Globalisierung schafft eine neue hegemonionale Männlichkeit“, ist ihre These. Die skizzenhafte Begründung: Bisher sei die Nachkriegsökonomie im Westen vom „Fordismus“ geprägt worden, das heißt von der Massenproduktion am Fließband, gepaart mit keynesianischem Sozialstaat, damit jeder das Produzierte kaufen kann und die Nachfrage stabil bleibt. Dadurch seien mehr Frauen in die Erwerbsarbeit geströmt, das „traditionelle Geschlechterarrangement mit dem paternalistischen Familienernährer“ seit den 70er und 80er Jahren in die Krise geraten.

Heutzutage aber treibe die Globalisierung die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung auf die Spitze: Der globale Börsianer und Spekulant jette völlig losgelöst um die Welt – „frühmorgens Tokio, mittags Frankfurt, abends New York“ – und habe keinerlei Zeit mehr für Reproduktion und Familienarbeit. Die bleibe „der neuen Dienstbotenklasse“, in Deutschland „der promovierten Putzfrau aus Polen“, überlassen. Die Globalisierung verschärfe aber auch die Hierarchie unter den Männern: „Der Spekulant geht im Edelrestaurant essen, wo Migranten die Töpfe putzen.“ Der Spielraum für emanzipatorische Entwicklungen scheine auf diese Weise immer enger zu werden. „Aber“, so erklärt Brigitte Fenner, „der Ausgang ist völlig offen. Das hängt unter anderem von der Frage ab, ob die Frauen weltweit sich das gefallen lassen.“

Ein programmatischer lila Streifen schmückt das Firmenemblem des Instituts mit dem umständlichen Namen, das ursprünglich von neun SozialwissenschaftlerInnen 1992 gegründet wurde. „Wir wollten fortschrittliche Diskurse fördern“, sagt Politologe Doege. „Wir wollten ein Forum für unsere fachspezifischen Fragen haben“, ergänzt Soziologin Fenner. Daß das kleine Institut in Mitte keinen festen Personalstamm bezahlen kann, daß sie dort „je nach Auftragslage manchmal bezahlt, manchmal ehrenamtlich“ arbeiten, nehmen die beiden ohne Murren auf sich: „Ich habe vorher im Verein Deutscher Ingenieure gearbeitet und wollte nie wieder einen Chef über mir haben“, meint Fenner. Doege war früher im Präsidialamt der Freien Universität tätig und hat von diesem „autopoietischen System erlebter Männerbünde“ die Nase voll. Auch und gerade an der Universität, davon ist er überzeugt, „erweist sich das Patriarchat als Innovationsstau“. Der 37jährige Politologe gehört zu jener Spezies kritischer Männer- und Geschlechterforscher, die zwischen allen Stühlen sitzen. Frauenforscherinnen beäugen sie aus Angst vor unliebsamer Konkurrenz voller Mißtrauen, die US-Bewegung der „Wilden Männer“ straft sie wegen ihrer Männlichkeitskritik mit Verachtung, der normale Wissenschaftsbetrieb nimmt sie nicht für voll.

Dabei ist ihr herrschaftskritischer Ansatz der einzige, der beiden Geschlechtern zur emanzipativen Bewegung verhelfen kann. Doege betont, daß auch die Männer erheblich unter patriarchalen Verhältnissen leiden.

„Fragile Männlichkeit“, so der Politologe in einem Vortrag vor der Heinrich-Böll-Stiftung, „bildet dabei eine zentrale Ursache männlicher Gewalt, die sich jedoch nicht nur gegen Frauen, sondern auch gegen andere Männer und vor allem gegen den Mann selbst richtet.“ Für ihn ist das Patriarchat „ein doppeltes Herrschaftsverhältnis, eines der Männer über die Frauen und eines zwischen verschiedenen Gruppen von Männern.“ Als feministische Wissenschaftlerin hat es Brigitte Fenner ein kleines bißchen leichter, an Forschungsaufträge heranzukommen. „Frauenforschung ist inzwischen etwas etablierter, Männerforschung überhaupt nicht“, sagt sie.

Aber auch erstere ist vor Marginalisierung nicht verschont. Eine Datenbank über feministische Ansätze zur Technikkritik („Technik und Geschlecht“), die die 45jährige Soziologin mit Geldern der Senatsverwaltung für Arbeit und Frauen aufzubauen begann, wurde zum Datengrab – die Projektfortführung wurde nicht bewilligt.

Inzwischen aber hat das Autorenpaar Doege & Fenner andere Projekte bearbeitet: unter anderem eine Untersuchung der Bundesforschungspolitik, zwei Gutachten über Forschungspolitik in Brandenburg und in Sachsen und eins über die Möglichkeiten eigenständiger Regionalentwicklung im Elbe-Elster-Kreis, Ende 1998 erscheint das Buch „Forschungspolitik und Geschlechterdemokratie“.

Die staatliche Forschungsförderung sehen die beiden äußerst kritisch. Sie bevorzuge Groß- und Risikotechnologien wie Rüstungstechnik oder die bemannte Raumfahrt und vernachlässige „weiche“ Bereiche wie Haushaltstechnik, die vor allem Frauen zugute käme. Dazu passe, daß das weibliche Geschlecht in den diversen Beratergremien des Bundesforschungsministeriums kaum vertreten sei. Ähnlich, so stellten sie in ihrem Gutachten für Brandenburg fest, sähe es in Berlins Umland aus, eine Quotierung wäre hier durchaus sinnvoll. Sätze, die bei den Auftraggebern nicht überall auf Gegenliebe stießen. Ein Umweltbeamter, erzählen Doege und Fenner, habe sich ganz besonders aufgeregt: „Ein Schriftstück, in dem das große I verwendet wird, lege ich sofort beiseite.“

Institut für anwendungsorientierte Innovations- und Zukunftsforschung e.V., Eichendorffstr. 16, 10115 Berlin, Tel. 28385717

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen