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"Das sind doch alles Ausreden"

■ Im Gespräch: Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland, über das Holocaust-Mahnmal in Berlin

taz: Herr Bubis, als letzten Herbst die Ergebnisse des zweiten Wettbewerbs zum Berliner Holocaust-Mahnmal der Öffentlichkeit vorgestellt wurden, haben Sie davor gewarnt, die Realisierung weiter zu verzögern. Inzwischen ist ein dreiviertel Jahr vergangen, und es ist immer noch nichts passiert.

Bubis: Mir geht es nicht darum, ob sich die Realisierung des Mahnmals verzögert oder nicht. Man muß entscheiden, ob man es überhaupt will. Zu sagen, wir wollen das Mahnmal, aber wir müssen noch darüber nachdenken, ist nicht ehrlich. Dann soll man lieber zugeben, daß man es nicht will.

Wie schätzen Sie die Lage ein? Wird es noch vor der Bundestagswahl eine Entscheidung geben?

Ich habe keine Ahnung. Das ist Sache der Auslober. Die sind in der Pflicht, sie mögen so oder anders entscheiden. Ich erwarte nur eines: daß sie sich entscheiden.

Michael Naumann, der designierte Bundesbeauftragte für Kultur im Schattenkabinett von SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder, hat nicht nur den favorisierten Entwurf von Peter Eisenman scharf kritisiert, sondern sich generell gegen das Mahnmal ausgesprochen.

Das ist sein Problem. Wenn er als Bundesbeauftragter für Kultur der SPD keine anderen Sorgen hat, dann kann ich nur sagen: arme Kultur.

Glauben Sie, daß das Mahnmal gefährdet ist?

Ich weiß es nicht. Aber wenn Sie unbedingt eine Meldung haben wollen: Ich war vergangenen Dienstag zu den Tagesthemen eingeladen, um mit Naumann zu diskutieren. Er hatte zugesagt, wurde dann aber, wie ich gehört habe, vom SPD-Vorstand zurückgepfiffen.

Naumann ist beileibe nicht der einzige, der in den letzten Wochen und Monaten Einwände gegen das Mahnmal vorgebracht hat...

Dazu äußere ich mich nicht, weder zu dem Pro noch zu dem Contra. Hier geht es um ein Mahnmal, das von Nichtjuden für das ermordete europäische Judentum errichtet werden soll. Die Auslober müssen entscheiden.

Kritiker des Mahnmals sagen, daß man sich eher um die Gedenkstätten in den KZs kümmern sollte. Das seien die authentischen Orte.

Richtig, und die müssen unbedingt erhalten und gefördert werden. Nur weiß ich nicht, was das miteinander zu tun hat. Sehen Sie, es ist doch merkwürdig: Alle, die gegen das Mahnmal sind, haben sich plötzlich der Gedenkstätten erinnert. Man sollte nicht versuchen, das eine gegen das andere auszuspielen.

Es sind auch versöhnliche Töne angeschlagen worden. Der amerikanische Historiker James E. Young beispielsweise meinte einmal, daß allein schon die seit Jahren andauernde Debatte zu einem Teil des Mahnmals geworden sei.

Ich kann mich nur wiederholen: Ich finde die Diskussion unwürdig. Sie erinnert mich an die Debatte um das Ladenschlußgesetz.

Andere Stimmen sagen, mit dem Mahnmal wollten die Deutschen sich ihrer moralischen Verantwortung entledigen.

Das sind für mich alles Ausreden von Leuten, die das Mahnmal nicht wollen.

Sie selbst haben den ersten Mahnmalsentwurf der Künstlergruppe um die Bildhauerin Christine Jackob-Marks aber doch auch als Ablaßhandel kritisiert?

Ich habe damals wenig am eigentlichen Entwurf auszusetzen gehabt, auch wenn er mir zu bombastisch vorkam. Mir ging es um die Namen, die dort eingraviert werden sollten und nicht identifizierbar waren. Aber ich bin Laie. Ich nehme nicht für mich in Anspruch, zu wissen, wie ein solches Mahnmal aussehen soll.

Glauben Sie denn, daß der Bau des Holocaust-Mahnmals die Aussöhnung zwischen jüdischen und nichtjüdischen Deutschen befördern wird?

Auch das weiß ich nicht, fragen Sie die Auslober.

György Konrád, Präsident der Berliner Akademie der Künste, meint, die bisherigen Entwürfe für das Holocaust-Mahnmal seien gnadenloser Kitsch...

Sein Problem.

Er schlug vor, statt dessen einen Spielplatz zu bauen, mithin einen Ort zu schaffen, an dem sich die ermordeten Juden selber gerne aufgehalten hätten.

Das halte ich nun wiederum für Kitsch. Ich kann Ihnen noch Tausende andere Vorschläge nennen, die bei mir eingegangen sind. Die kamen auch nicht nur von lauter dummen Leuten. Was György Konrád betrifft: Er ist auch nicht der allein Wissende und sowenig Fachmann wie ich. Aber ich bin ehrlich genug zu sagen, ich verstehe nichts davon und halte mich deshalb zurück. Interview: Ulrich Clewing

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