: Nestbeschmutzer bei Ägyptens Polizei
■ Ein Offizier, der in einer Hochburg militanter Islamisten seinen Dienst tut, hat einen Roman über seine Erfahrungen geschrieben
Kairo (taz) – Die Aktivitäten der ägyptischen Polizei sind umgeben von einem Mantel des Schweigens. Ausnahmezustand und Anti- Terror-Gesetze im Kampf gegen militante Islamisten fördern nicht gerade die polizeiliche Transparenz. Bisher waren es nur Menschenrechtsorganisationen, die versuchten, den vermeintlichen Hütern von Recht und Ordnung auf die Finger zu schauen.
Nun hat ein Polizeioffizier ausgepackt – in Form eines Romans. Das „Tagebuch eines Polizeioffiziers auf dem flachen Lande“, wie das Buch des Brigade-Generals Hamdi al-Batran betitelt ist, beschönigt nichts aus der Amtszeit des Offiziers in einer der Hochburgen militanter Islamisten. Der Roman deckt Fehlverhalten der Polizei auf, die täglichen Mißhandlungen und Menschenrechtsverletzungen. Er geht sogar so weit, der ägyptischen Polizei einen Teil der Mitverantwortung für die Brutalität und die Länge des Konflikts mit den militanten Islamisten zuzuweisen. In einem ständigen Teufelskreis zwischen Gewalt und Gegengewalt trage eben auch die Polizei ihren Anteil.
Das ägyptische Innenministerium reagierte prompt. Der Offizier muß sich nun vor einem Disziplinargericht verantworten. Nach ägyptischen Recht ist es Polizeioffizieren strikt verboten, irgendwelche während ihre Amtszeit gesammelten Informationen direkt oder indirekt zu enthüllen. „Wenn eine Nation eine Krise durchlebt, müssen wir darüber schreiben“, kommentiert al-Batran von seinem Posten im südägyptischen Minya aus das Verfahren. Der Roman behandele die Frage, welche Fehler in der Konfrontation zwischen Polizei und Terroristen gemacht worden seien. „Wir müssen unsere Fehler zugeben, um sie zu korrigieren“, erklärt der mutige Offizier.
Menschenrechtsorganisationen, die nach der Veröffentlichung seines Romans hoffnungsvoll auf ihn zugegangen sind, wurden allerdings enttäuscht. Der Offizier lehnt jede Zusammenarbeit ab. Er wolle die Angelegenheit nicht politisieren, rechtfertigt er seine Zurückhaltung.
Seit Beginn des Konflikts vor sechs Jahren sind im südlichen Ägypten über 1.200 Menschen getötet worden, darunter viele Polizisten. Auch die Ängste und Sorgen jener Polizisten, die in den Hochburgen militanter Islamisten ihren Dienst tun, werden in dem Roman aufgegriffen. So beschreibt al-Batran seine eigene Versetzung wie folgt: „Eine Woche ist bereits seit meiner Ankunft verstrichen, ohne das eine einziger Polizist ermordet wurde. Eine Tatsache, die die Ängste meiner Frau nicht ausräumen konnte. Als sie erfuhr, daß ich in den Süden versetzt wurde, brach sie zusammen und flehte mich an, zu kündigen. Ich konnte es ihr gut nachfühlen.“
Al-Batrans Enthüllungen könnten ihm teuer zu stehen kommen. Dem 48jährigen Offizier droht in dem Disziplinarverfahren nicht nur eine Geldstrafe zwischen 3.000 und 6.000 Mark, sondern auch seine Frühverrentung. Karim El-Gawhary
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