■ Clinton, Starr, Lewinsky und die Gewalttätigkeit in der US-Politik: Die Ausschaltung des Gegners
In keiner Demokratie der Welt werden politische Debatten mit derartiger Härte und Häme, derart gehässig und unversöhnlich ausgetragen, nirgends verwandeln sich Meinungsverschiedenheiten derart vehement in persönliche Angriffe wie in der politischen Arena Amerikas. Vincent Foster, ein Schulfreund Clintons, der als Rechtsberater aus dem ländlichen Arkansas ins Weiße Haus kam und sich wenige Monate nach Amtsantritt Clintons 1993 das Leben nahm, hinterließ einen Brief mit den Worten: „Dies ist eine Stadt, in der jemanden zu erledigen als Sport gilt.“ Sein Tod und der Versuch dreier Ermittler, darin eine dunkle Verschwörung Clintons zu sehen, stand am Anfang jener Serie von Untersuchungen, die inzwischen in den Vorladungen des Sonderstaatsanwalts Kenneth Starr gipfeln, der in Sachen Monica Lewinsky ermittelt. Längst haben die Ermittlungen Starrs den Boden justitiabler Tatbestände verlassen, und der an den Institutionen des Landes angerichtete Schaden steht in keinem Verhältnis zum öffentlichen Wohl.
Doch darum geht es in Amerikas Politik selten, es geht um die Ausschaltung des Gegners. Das findet seinen Ausdruck auch in der Sprache von Politik und Berichterstattung. Als bei den Wahlen 1994 die Mehrheitsverhältnisse im Parlament wechselten, berichtete die Herald Tribune über den neuen Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, er „schmeiße Bomben auf das Weiße Haus“. Von Newt Gingrichs politischem Stil heißt es, „er geht direkt an die Gurgel seines Gegners.“ Im US-Parlament werden Gesetzesvorlagen nicht abgelehnt, sondern „gekillt“. Als Clintons Krankenkassenreform scheiterte, sagte der damalige Führer der Republikaner im Senat, Bob Dole: „Es dürfen keine Fingerabdrücke an der Leiche des Gesetzes bleiben.“ Dan Burton, Vorsitzender eines Ausschusses, der die Wahlkampffinanzierung der Demokraten untersucht, sagte über Clinton: „Er ist ein Drecksack, und ich werde ihn erledigen.“
Burton steht allerdings selbst im Verdacht, Lobbyisten um Wahlkampfspenden erpreßt zu haben – womit man beim eigentlichen Resonanzboden der US- Politik angelangt ist. Ohne einige hunderttausend Dollar Wahlkampfspenden kümmern sich Abgeordnete nicht um die Belange ihrer Klientel. Die Gesetzgebung wird meistbietend versteigert. Diese sublime Form der Korruption ist verantwortlich für das politische Desinteresse all jener, die das Geld nicht haben, sich Politik zu kaufen. Und Politiker, die wie Mafiosi einstecken, teilen auch so aus: Sie wenden alle Mittel an, um den Gegner zu vernichten, von der Obstruktion bis zur Verleumdung und zum Ausspinnen von Verschwörungstheorien. Soll man sich da wundern, daß die metaphorischen Bomben und Kugeln, die in Amerikas Politik abgefeuert werden, immer häufiger materielle Entsprechungen in realem Blei finden – so wie zuletzt im Kapitol? Peter Tautfest
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