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Entsetzen über Contergan

■ Professor setzte in Klinik verbotenes Medikament bei Tumorpatienten ein

Scharfe Kritik von Ärzten und Politikern haben Therapieversuche eines Arztes am Sankt-Gertrauden-Krankenhaus mit dem verbotenen Wirkstoff Contergan ausgelöst. Der Neurochirurg Professor Siegfried Vogel hat an der Wilmersdorfer Klinik 13 Hirntumor-Patienten mit Thalidomid, einem zentralen Wirkstoff von Contergan, behandelt, um nach seinen Angaben das Gefäßwachstum im Tumor zu stoppen.

Das Schlafmittel hatte in den fünfziger Jahren bei Babys, deren Mütter das Mittel eingenommen hatten, schwere Mißbildungen verursacht. Contergan wurde daraufhin 1961 vom Markt genommen.

Die Ärztekammer Berlin verurteilte den Contergan-Einsatz. Bei so problematischen Medikamenten sei es „dringend geboten“, sie unter kontrollierten Studienbedingungen anzuwenden und vorab die Zustimmung einer Ethikkommission einzuholen. Auch der gesundheitspolitische Sprecher der Berliner Grünen, Bernd Köppl, kritisierte den Versuch als „ethisch nicht vertretbar“. Damit seien Patienten der Willkür des Arztes ausgesetzt. Köppl vermutete, daß die Pharmafirma Grünenthal als Produzent von Contergan an den Versuchen beteiligt gewesen sei. Denn nur mit ihrer Hilfe habe Professor Vogel Contergan einsetzen können.

Vogel, der zuvor in der Charité Chefarzt war und jetzt die Neurochirurgie in Wilmersdorf leitet, hatte laut einem Kollegen die Patienten vorher aufgeklärt. Vogel rechtfertigte sein Vorgehen damit, daß es sich um „unheilbar Kranke“ gehandelt habe. Er berief sich auf Forschungen in den USA, wo Contergan als Krebsgefäß-Blocker eingesetzt werde. taz/dpa

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