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Zum Sterben zuwenig

Hamburgs Hospize sind in Geldnot, eines erwägt gar die Schließung. Das ist „nicht nachvollziehbar“, sagen die Krankenkassen  ■ Von Judith Weber

Hamburgs Sterbekliniken geht das Geld aus. Wenn die Krankenkassen nicht mehr Mittel zur Versorgung der PatientInnen beisteuern als sie es derzeit tun, „können wir langfristig nicht mehr“, sagte gestern Gabriela Holmer, Leiterin des Hospizes „Sinus“. Dessen Trägerverein überlege bereits, ob er das Haus wieder schließt.

Um Schwerkranke optimal betreuen zu können, benötigen Holmer und ihre MitarbeiterInnen pro PatientIn rund 450 Mark täglich. Die Kranken- und Pflegekassen zahlen jedoch maximal 350 Mark. Sie halten sich damit zwar an eine Vereinbarung mit der Bundesarbeitsgemeinschaft der Hospize, die seit März in ganz Deutschland gilt. Für die beiden Hamburger Einrichtungen, das „Sinus“ und das Aids-Hospiz „Leuchtfeuer“, reicht dieses Geld aber nicht. „Als wir vor acht Monaten angefangen haben, waren wir nicht immer voll belegt“, erklärt Holmer. Immer wieder komme es zudem vor, daß Betten kurzzeitig leer blieben, weil jemand gestorben sei.

Um das Loch in der Kasse zu stopfen, verzichten die Kliniken auf Personal, das sie dringend bräuchten. „So kommen wir nicht in die roten Zahlen“, sagt Holmer, „aber wir müßten eigentlich noch fünf Kollegen einstellen.“ Statt dessen machen die 15 Angestellten bei Sinus Überstunden. „Mehr als 600“ hat allein die gelernte Sozialpädagogin in den vergangenen acht Monaten angehäuft; eine 60-Stunden-Woche sei nicht selten. Schließlich müssen die PatientInnen nicht nur mit Medikamenten versorgt werden. Wer in ein Hospiz zieht, wird persönlich umsorgt – eine Chance, nicht einsam sterben zu müssen. Nicht selten suchen auch Verwandte Trost bei den PflegerInnen. 75 Menschen sind bei Sinus in den vergangenen acht Monaten gestorben.

Seit November will der Trägerverein mit den Kassen über mehr Geld verhandeln. Doch die blocken. Erst „nach der Sommerpause“ wolle man an die Kliniken herantreten, sagte gestern AOK-Sprecherin Ulrike Zeising. Dann wollen die Kassen eine eigene Kostenvereinbarung abschließen.

Für die Probleme der Hospize bringt Zeising kein Verständnis auf. „Wir können das nicht nachvollziehen“, erklärte sie. Wenn die Sterbekliniken tatsächlich die geforderten 450 Mark erhielten, kämen sie schließlich preislich „in die Nähe der Krankenhäuser“ – und die müßten für dieses Geld immerhin die ganze medizinische Versorgung bezahlen. Vielleicht, so die Folgerung der AOK, seien Hamburgs Einrichtungen schlicht zu klein, um wirtschaftlich zu arbeiten.

13 Betten hat das „Sinus“; bei „Leuchtfeuer“ finden elf Menschen Platz. Hier fehlen pro PatientIn sogar rund 200 Mark täglich, um die Pflegekosten zu decken. Das Haus, das es seit einem Monat gibt, hat jedoch ausreichend Spenden bekommen, um die Defizite zu stopfen. Noch.

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