Press-Schlag: Doktors „Barrieren“
■ Der kritisierte ARD-Entertainer Emig folgt konsequent den Thesen seiner Dissertation
Die ARD hat während der Tour de France viel Kritik eingesteckt. Die Geschäftspartnerschaft mit dem deutschen Team Telekom habe die öffentlich- rechtliche Sendergruppe nicht nur Zwangsgebühren gemeldeter TV-Besitzer gekostet, sondern diesen Sommer auch die journalistische Unabhängigkeit.
Was den ARD-Vorzeigejournalisten Jürgen Emig betrifft, so muß der die Kritik zurückweisen. Schließlich hat Emig (53) seine Arbeitsweise seit Jahrzehnten, wie er stolz dem Spiegel sagte, „nicht um ein Jota geändert“. Wer den Tour- Reporter und Interviewer bei der Arbeit verfolgt hat, wird begreifen, was dieser einst meinte, als er auf den Seiten 42 und 43 seiner Dissertation schrieb: „Die Abhängigkeiten zwischen Sport und Geld als Synonym für Medien, Markt und Werbung sind vielfältig und oft nur schwer durchschaubar. Dies alles kann nur über eine simple marktwirtschaftliche Erkenntnis funktionieren.“
Jene nämlich: „Das Geschäft wird erst dann profitabel, wenn die (oft vom Verbraucher gar nicht als solche erkannte, weil geschickt verpackte) Ware auch verkauft wird, gleich über welchen Umweg auch immer: Ob Einschaltziffern, Auflagenhöhe, Absatz oder Umsatz.“
Schon auf Seite 2 stimmt man Emig nach dem nötigen wiederholten Lesen gerne zu: „Der Tendenz zur Ausklammerung verschiedener Aspekte des Sports, z.B. wirtschaftlicher oder gesellschaftspolitischer Art in der Berichterstattung ist die Thematisierung der Meldungen, die sich auf die nationale Leistungsfähigkeit im Sport beziehen, gegenüberzustellen.“ Man merkt: Emigs Arbeit der letzten Wochen folgt also streng seiner eigenen Vorgabe: „Das Bild des Sports bleibt auch in der reflektierenden Hintergrundberichterstattung überwiegend gekennzeichnet durch eine Ideologisierung der Leistungsfähigkeit, d.h. eine Art Leistungsfetischismus.“
Emigs Doktorarbeit wurde unter dem live kaum versprecherfrei zitierbaren Titel „Informationsgenerierung über einen mehrstufigen journalistischen Selektions- und Entscheidungsprozeß – dargestellt an der Hintergrundberichterstattung im Bereich des Sports“ im Fachbereich Grundlagen- und Geschichtswissenschaften der Universität Saarbrücken 1986 angenommen. Im Jahr darauf wurde sie publiziert und umbenannt in: „Barrieren eines investigativen Sportjournalismus“.
Das investigativste an der Dissertation ist ihr Titel. Emig war schon als Doktorand in seinen 40ern kein Freund tiefschürfender Fragen. Zum Gegenstand seiner Wissenschaft beförderte Emig seine damalige Tätigkeit in der Sportredaktion des Saarländischen Rundfunks. Gelegentlich informierte er die Nachrichtenagenturen dpa und sid über Interviews, die er mit mehr oder minder prominenten Sportexperten geführt hatte. Anschließend schaute er in einige Zeitungen, ob sie die Meldung abdruckten. Dann zählte er aus, welche Aspekte da noch vorkamen. Zu guter Letzt rief er seine Zeitungskollegen an und fragte, warum sie seine Informationen verstümmelt, in den Papierkorb geworfen oder wörtlich übernommen hatten. Soziologisch nennt man Emigs Vorgehen einen Rollenkonflikt.
Herausgefunden hat er immerhin, daß die Zeitungen mit großer Vorliebe Argumente aus Themenbereich III übernehmen. Dessen Definition lautet „Zulassungskriterien als Rahmenbedingung der Leistungsfähigkeit im Spitzensport“. Als Beispiel nennt Emig „medizinische Manipulationen“. Das häßliche D-Wort vermeidet er.
Dafür fällt es im Anhang. Da ist eines seiner damals zu Meldungen verwursteten Interviews wiedergegeben. Und zwar mit dem Freiburger Arzt Josef Keul (der übrigens künftig mit der Entsorgung des D-Themas beim Team Telekom betraut ist). Damals, im Dezember 1983, fragte Emig zum Einstieg, ob die Diskussion hysterische Züge angenommen habe. Keul antwortete: „Ja“. Die Zeitungen titelten: „Sportmediziner warnt vor Doping-Hysterie“. Emig hat sich die Warnung zu Herzen genommen. Er kennt seine Barrieren. Er hat sich nicht verändert. Nicht um ein Jota. Stefan Löffler
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