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Illegale Genversuche

■ Berliner OVG: Freisetzungsversuche mit Genpflanzen rechtswidrig genehmigt

Berlin (taz/AP) – Wenn auf dem Acker nebenan gentechnisch veränderte Rüben wachsen sollen, dann regt sich in der Bevölkerung gerne mal Widerstand. In Schleswig-Holstein zum Beispiel: Ein dort ansässiger Ökobauer wollte sich gegen die mutierte Nachbarschaft wehren und verlor vor dem Berliner Oberverwaltungsgericht. Trotzdem feiern Gentechnikgegner das Urteil als Erfolg – stellen die Richter doch fest, daß 175 der insgesamt 277 Freisetzungsversuche in Deutschland auf einer rechtlich wackeligen Grundlage stehen.

Wer in deutschen Landen gentechnische veränderte Pflanzen unter Freilandbedingungen testen möchte, muß sich dieses Vorhaben vom Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) genehmigen lassen, das dem Bundesgesundheitsministerium angegliedert ist. Es folgt eine Fülle von Prüfungen, Verfahren und Anhörungen der Öffentlichkeit, geregelt im Gentechnikgesetz. Aber nicht immer: Nach einer Entscheidung der EU-Kommission (94/730/EG) müssen Freisetzungen an beliebigen Orten nur noch „nachgemeldet“ werden, wenn sie für einen einzigen Ort bereits genehmigt worden sind. Das Berliner Oberverwaltungsgericht hat nun Bedenken an der Rechtmäßigkeit dieser Nachmeldungen angemeldet: „Die Praxis des Robert-Koch-Institutes entspricht nicht dem Gentechnikgesetz. Für ein derartiges, vereinfachtes Verfahren, bei dem hinsichtlich der Freilandversuche an den nachgemeldeten Standorten keine weitere Anhörung der Öffentlichkeit stattfindet, fehlt es an der erforderlichen Rechtsgrundlage in Form einer Rechtsverordnung der Bundesregierung“, heißt es in dem am Donnerstag veröffentlichten Beschluß (Az.: OVG 2S 9.97). RKI- Sprecher Edgar Muschketat sagte, die Bundesregierung sei der Auffassung, daß die EU-Entscheidung nicht in eine eigene Verordnung gefaßt werden müsse, um in Deutschland zu gelten. Das Bundesinstitut sei rechtlich an die EU- Vorgabe gebunden. Sollte ein Gericht in einer rechtsgültigen Entscheidung befinden, daß diese Umsetzung nicht richtig gewesen sei, werde man dem selbstverständlich folgen.

Die hessische Umweltministerin Priska Hinz forderte die Bundesregierung gestern auf, die umstrittenen Schnellgenehmigungen einstweilen zu stoppen – der Bund sei jetzt verpflichtet, eine entsprechende Verordnung unter Beteiligung des Bundesrats zu erlassen. Den tags zuvor ergangenen Beschluß des OLG Berlin nannte sie eine schallende Ohrfeige für die Bundesregierung. Gernot Schubert, Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums, ist anderer Auffassung. Selbst wenn eine eigene Länderverordnung erlassen werden müsse, könne auch diese nur dem EU-Recht entsprechen. Eine unnötige Bürokratisierung der Schnellgenehmigungsverfahren sei von den Sicherheitsrisiken her nicht gerechtfertigt. kuz

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