: Das politisch korrekte Eisimperium aus den USA
■ Die taz stellt NAX-Firmen vor (3): Ben & Jerry‘s Ice Cream krabbeln aus der Talsohle
Washington (taz) – Wer weiß, was Cherry Garcia oder Chocolate Chip Cocky Dough ist? Eis-Freaks wissen es: Cherry Garcia ist eine Eiskreation, die ihren Namen Jerry Garcia, dem Leader der Kultband Greatful Dead, verdankt. Und Chocolate Chip Cocky Dough Ice Cream ist ein Schokoladenkeksteig-Eis, das dem Laster vieler Leute Rechnung trägt, lieber vom Teig zu naschen, als auf die fertigen Kekse zu warten. Solche Konzessionen an einen ausgefallenen Geschmack sind die Handschrift von Ben Cohen und Jerry Greenfield, der US-Hersteller von Ben & Jerry's Ice Cream.
Deren Eisimperium ist im Mai dieses Jahres 20 Jahre alt geworden. 1978 starteten Ben und Jerry ihr Unternehmen mit 12.000 Dollar in einer alten Tankstelle in Burlington, Vermont. Sie stellten Eis aus ehrlichen Zutaten auf die traditionelle Weise her: Reine Sahne kommt in eine Trommel, die in einem mit Eis und Tausalz gefüllten Zylinder steckt. Dreht man die Trommel, wird der Sahne Wärme entzogen – sie verwandelt sich in Speiseeis. Der Sahne kann man vorher alles mögliche beimengen: Obst, Schnaps, Nüsse oder Schokolade. Solches Eis gehört zu den Mythen des amerikanischen Landlebens, wo nach der Ernte nicht viel anderes zu tun ist, als sich etwas Verrücktes auszudenken.
Ben & Jerry machten solche Verrücktheiten zu ihrem Beruf. Mit Erfolg: Die Firma setzt heute an die 175 Millionen Dollar um und hält 38 Prozent des amerikanischen Markts für sogenanntes Premium-Eis. Das sind nur elf Prozent weniger als Häagen-Dazs, die Eismarke, die inzwischen auch in Deutschland hip ist.
Daß die Firma im hinterwäldlerischen Vermont steht und nur Vermonter Sahne benutzt, war fürs Marketing so wichtig wie das soziale Image der Firma. Es gibt wohl kaum einen politisch korrekteren Betrieb als Ben & Jerry. Die Nüsse für den „Rainforest Crunch“ kommen aus Indio-Kooperativen in Südamerika und die Blaubeeren von den Passamaquoddy-Indianern in Maine. Die Waffeln bezieht Ben & Jerry aus einer Bäckerei in New Jersey, die Drogensüchtige einstellt, um sie zu Bäckern umzuschulen. Die Kekse (ungebacken oder als Teig) stammen aus einem Betrieb, der Obdachlosen Arbeit gibt. Sieben Prozent der Erlöse werden für gute Zwecke ausgegeben.
Ben & Jerry machten Reklame auf riesigen Plakaten, die gegen Atomkraftwerke Stellung nahmen: „Keep our customers alive and licking“ (unsere Kunden sollen leben und lecken). Auch gegen die NATO-Erweiterung nahmen Ben & Jerry Stellung – Begründung: Die Verteidigung der Osteuropäer käme die Amis zu teuer.
Zwischendurch aber ging es Ben & Jerry nicht anders als all den Unternehmen, die wie Apple Macintosh eher Fans als Kunden hatten. Die USA wurden gesundheitsbewußt und suchten leichtere Kost. Bald stagnierte der Absatz von Super-Premium-Eis aus Sahne, auch wegen der saftigen Preise von Ben & Jerry. Konkurrenten wie Breyers boten dagegen deutlich weniger fettes Eis für ein Drittel des Preises an.
Im vergangenen Jahr wurde dann der neue Manager Perry Odak vom Gewehrhersteller Winchester angeheuert. Der hat Ben & Jerry wieder auf die Gewinnspur zurückgeführt. Er führte Radiowerbespots und eine neue Verpackung ein. Die geschmacklichen Extravaganzen reduzierte er. Ergebnis: Der Aktienpreis kletterte vom Tiefststand von 11 Dollar 1996 wieder auf fast 20 Dollar. Peter Tautfest
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