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"Es ist eine niederträchtige Gemeinheit"

■ Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) über ein gegen ihn gerichtetes Wahlplakat der Bündnisgrünen, die Ausländerpolitik seiner Partei und das Bild, das die Öffentlichkeit über ihn zeichnet.

taz: Auch in Ihrer Heimatstadt Nürnberg kleben die Bündnisgrünen das Plakat „Beckstein würde auch Jesus abschieben“. Warum hat dieses Plakat Sie so getroffen?

Günther Beckstein: Es ist eine niederträchtige Gemeinheit, mit einem derartigen Verleumdungswahlkampf überzogen zu werden.

Hätte denn Jesus eine Chance, hierzulande Asyl zu bekommen?

Ich glaube nicht, daß Jesus mit Hilfe einer kriminellen Schleuserorganisation nach Deutschland gekommen wäre, hier gefälschte Papiere vorgelegt und eine Lügengeschichte vorgetragen hätte, um dann nach einer gerichtlichen Ablehnung darauf zu warten, notfalls mit unmittelbarem Zwang abgeschoben zu werden. Das Ganze ist doch eine ziemlich absurde Veranstaltung.

Sie haben kritisiert, daß das Plakat Ihr Allerheiligstes verletzt hätte. Was ist denn das Allerheiligste des bayerischen Innenministers?

Die Fragen des persönlichen Glaubens und des Herrgotts sind mir heilig. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein.

In der Asylpolitik argumentieren Sie stets mit Gesetzen, die angeblich keinerlei Spielräume mehr böten. Stehen die Gesetze über Gott?

Nein, aber die Gesetze sind auch unter ethischen Gesichtspunkten richtig. Ein völlig schrankenloses Recht auf Zuwanderung ist weder ethisch verantwortlich, noch wäre das überhaupt verantwortbar. Das würde unerträgliche soziale Spannungen hervorrufen.

Von den Medien bekommen Sie Attribute wie „Stoibers rechter Diener“ oder der „Härteste der Harten“ zugeschrieben. Fühlen Sie sich richtig getroffen?

Ich habe es sehr viel lieber, wenn ich als Hardliner für Recht und Gesetz angesehen werde statt als Schwächling, dessen Name für Unrecht und Unordnung steht.

Humanität, Barmherzigkeit und Gnade sind christliche Werte. Müssen Sie sich als Innenminister da nicht manchmal selbst verleugnen?

Nein, man muß immer über den Einzelfall hinausdenken. Es kann ja wohl nicht richtig sein, daß der eine großzügig behandelt wird, nur weil fünf Pfarrer oder zehn Politiker irgendeine Resolution geschrieben haben. Die Gleichheit vor dem Gesetz ist existentieller Bestandteil von Gerechtigkeit.

Unter dem Strich sind 1997 mehr Ausländer ab- als eingewandert, die Asylzahlen gehen rapide zurück. Sie müßten zufrieden sein.

Die jüngere Entwicklung ist gut, aber wir sind über die Jahre gesehen lange noch nicht weit genug. Im letzten Jahr sind über 630.000 Menschen neu nach Deutschland hinzugezogen, dazu noch 120.000 Aussiedler. Sie alle müssen neu integriert werden. Dazu braucht man Wohnungen, Schulen, Sozialhilfe. Die Belastung ist einfach zu hoch. Auf dem Wohnungsmarkt haben Polizisten, Krankenschwestern und andere hier dauerhaft Lebende kaum mehr eine Chance, eine Sozialwohnung zu bekommen, weil diese vorrangig an Zuwanderer gehen.

Im gemeinsamen Wahlprogramm der Union fehlt der von der CSU geforderte Satz, Deutschland sei kein Einwanderungsland. Bedauern Sie das?

Nein. Ich selber habe diesen Satz nicht gebraucht, weil er stets bewußt oder unbewußt so mißverstanden werden kann, als ob man die reale Zuwanderung in den letzten Jahrzehnten leugnen würde. Unser Problem ist es, die vorhandene Zuwanderung auf ein sozialverträgliches Maß zu reduzieren, und dieser Satz ist Bestandteil des Wahlprogramms.

Im Bereich der Jugendkriminalität fordert die Union die Ausweisung Jugendlicher mitsamt ihren Eltern. Was soll mit deutschen Eltern jugendlicher Intensivtäter geschehen?

Eltern haften für ihre Kinder. Das steht nicht nur an jeder Baustelle, sondern auch im Strafgesetzbuch. Nur weil es bei einem deutschen Kind, das Serienstraftäter ist, nach Beratung, Krisenintervention, pädagogischen und sonstigen präventiven Maßnahmen keine weitere allerletzte Möglichkeit mehr gibt, darf doch nicht auf zusätzliche rechtliche Möglichkeiten, die das Ausländerrecht gibt, verzichtet werden.

Der Hotel- und Gaststättenverband hat der CSU vorgeworfen, mit ihrer Politik dem Standort Deutschland zu schaden.

Das ist doch abwegig. Wir in Bayern haben bundesweit die höchste Exportquote und die höchsten Investitionen von Ausländern. Daß der Hotel- und Gaststättenverband es lieber sähe, Billigarbeitskräfte aus der Tschechei oder Jugoslawien anzuwerben, ist vielleicht verständlich, aber deswegen nicht richtig. Daß man bei über vier Millionen Arbeitslosen nicht Kräfte finden soll, die als Tellerwäscher oder Bedienungen angelernt werden können, ist doch erstaunlich, liegt aber wohl vor allem an der als ungenügend empfundenen Bezahlung.

Was wollen Sie denn mit den inländischen Arbeitslosen machen, die partout keine Teller waschen wollen?

Man muß eben Angebote zur Arbeit machen, mehr Anstrengungen zur Vermittlung unternehmen und dann auch den Mut haben, Arbeitslosengeld, -hilfe und Sozialhilfe zu kürzen oder zu sperren, wenn zumutbare Arbeit nicht aufgenommen wird. Wer nicht arbeiten mag, soll auch keine Unterstützung bekommen.

Die rechtsextreme DVU hat mit Hinweis auf den Rechtsruck in der CSU auf eine Kandidatur in Bayern verzichtet. Hat sich die CSU nach rechts bewegt?

Nein, auf gar keinen Fall. Wir haben unsere Ausländerpolitik um kein Komma verändert, sondern seit je die Probleme und verträgliche Lösungen dazu offen angesprochen. Im übrigen hat die DVU auf eine Kandidatur in Niedersachsen mit Verweis auf einen Rechtsruck in der SPD verzichtet. Die DVU kandidiert in Bayern nicht, weil sie von einem Mißerfolg bei den hiesigen Landtagswahlen eine weitere Verschlechterung ihrer Chancen bei der Bundestagswahl fürchtet.

Interview:

Bernd Siegler

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