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Gericht: „Bild“ hat taz „abgekupfert“

Als Henning Harnisch am Donnerstag letzter Woche Deutschlands größtes Boulevardblatt aufschlug, staunte er nicht schlecht, was da über ihn stand: „In Bild verrät Deutschlands erfolgreichster Basketballer ... seine wahren Abschiedsgründe“, stand da. Es folgte ein Interview. Doch die Gründe für seinen Rücktritt vom Leistungssport hatte er gar nicht Bild verraten. Sie waren vielmehr einen Tag zuvor in der taz zu lesen – in einem ausführlichen Interview, das Sportredakteur Matti Lieske mit ihm geführt hatte.

Das Landgericht Berlin hat jetzt der Axel Springer Verlag AG untersagt, „zu behaupten, sie hätte das Interview mit Herrn Henning Harnisch geführt“. In einer einstweiligen Verfügung gibt das Gericht der taz recht: Bei dem Bild-Interview, das von „der taz ,abgekupfert‘ ist“, handele es sich um „eine die Leser irreführende Wettbewerbshandlung“. Außerdem verstoße Bild gegen das Verbot, „geschäftliche Leistungen eines Konkurrenten zu übernehmen, ohne durch Zitat darauf hinzuweisen“.

Bei Springer bestätigt man, daß der Bild-Journalist „teilweise Antworten aus dem in der taz veröffentlichten Interview verwertet hat, um dem Interviewten Zeit und Mühe zu ersparen, gleiche Fragen doppelt beantworten zu müssen“. Allerdings habe der Basketballer den Bild-Mann selbst darum gebeten, „stellvertretend für ein weiteres Interview die Antworten auf die ihn interessierenden Fragen dem Interview in der taz zu entnehmen und nach freiem Belieben für eine nachfolgende Veröffentlichung in der Bild Berlin-Brandenburg zu verwerten“.

Henning Harnisch kann das nicht bestätigen: Er habe nach seinem Rücktritt der taz bewußt ein Exklusiv-Interview gegeben und dem Bild-Mann erst für den nächsten Tag eines angeboten. Doch der habe sich dann nicht mehr bei ihm gemeldet – und statt dessen aus der taz abgeschrieben.

Vor einem halben Jahr war Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth aus ähnlichen Gründen über Bild verärgert. „Der Papstbrief zur Schwangerschaftsberatung – jetzt eine neue Diskussion um die Abtreibungspille RU 486“, titelte das Blatt am 30. Januar. Die „Diskussion“ bestand in einer Äußerung Süssmuths („die CDU-Politikerin zu Bild“), in der sie sich für die Abtreibungspille ausgesprochen habe. Süssmuth dementierte: „Von mir gibt es keine aktuelle Stellungnahme oder ein Interview zu diesen Fragen. Abgedruckt wurde ein Zitat aus dem Jahr 1993.“ Und das stammte aus Focus. Beim Deutschen Presserat ging allerdings keine Beschwerde der Bundestagspräsidentin ein. Michael Rediske

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