: Hunderttausende auf der Flucht
■ Die Europäische Union stellt für die Kosovo-Flüchtlinge zehn Millionen Mark zur Verfügung. Doch die Kämpfe gehen unvermindert weiter. Die US-Regierung droht erneut mit einem Angriff
Priština/Brüssel/Washington (AFP/dpa/epd) – Mindestens 200.000 Menschen sind im und aus dem Kosovo auf der Flucht. Gestern warnte das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) erneut vor einer humanitären Katastrophe in der serbischen Provinz. Durch die anhaltenden Kämpfe sei jeder zehnte Einwohner auf der Flucht, sagte ein Sprecher des UNHCR in Priština. Als Soforthilfe für die Flüchtlinge stellte die EU-Kommission gestern fünf Millionen Ecu (zehn Millionen Mark) bereit.
Die 200.000 Flüchtlinge schließen nach Angaben des UNHCR diejenigen Menschen ein, die innerhalb des Kosovo fliehen, und diejenigen, die sich in das angrenzende Montenegro, Albanien oder Mazedonien gerettet haben. Nach Feststellungen der EU-Kommission flüchteten bislang 13.000 Menschen nach Albanien, 27.000 in die jugoslawische Teilrepublik Montenegro und 2.000 nach Mazedonien.
Nach Berichten der Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ befinden sich die Flüchtlinge in einer katastrophalen Lage: bei Tagestemperaturen von bis zu 38 Grad, ohne Unterkunft, ausreichend Nahrungsmittel und Wasser. Viele Menschen seien schon mehrmals geflohen und krank. Wegen der Kämpfe sei der Zugang zu ihnen oft sehr schwierig.
Ein Sprecher der EU-Kommission in Brüssel teilte mit, mit der Soforthilfe sollten die Einsätze des UNHCR und der regierungsunabhängigen Organisationen unterstützt werden. Notwendig sei vor allem medizinische und humanitäre Hilfe. Außerdem sollen winterfeste Unterkünfte errichtet werden. Bereits im Juni hatte die EU- Kommission rund drei Millionen Mark für Kosovo-Flüchtlinge bereitgestellt. Die Kommission geht davon aus, daß sich die Zahl der Menschen, die vor den Kämpfen zwischen serbischen Einheiten und Unabhängigkeitskämpfern fliehen müssen, weiter erhöhen werde.
Unterdessen gehen im Kosovo die Gefechte weiter. Umkämpft war gestern nach Angaben von albanischer und serbischer Seite vor allem die Region Drenica im Landesinneren. Dort waren die Rebellenhochburg Ovcarevo und die Ortschaft Likovac Schauplätze heftiger Schießereien.
Die USA drohten Jugoslawien erneut mit einem Angriff. Die Warnung sei in einem persönlichen Schreiben von Außenministerin Madeleine Albright an den jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević enthalten, berichtete gestern die New York Times.
Ein begrenztes militärisches Eingreifen der Nato aus der Luft könne nach einem entsprechenden Beschluß binnen sieben bis zehn Tagen erfolgen. Der Jugoslawien- Experte und künftige UN-Botschafter der USA, Richard Holbrooke, sagte: „Die serbische Offensive erhöht die Wahrscheinlichkeit oder Möglichkeit einer aktiven westlichen Intervention militärischer Art dramatisch.“
In Belgrad traf gestern Milošević mit dem stellvertretenden russischen Außenminister Nikolai Afanasjewski zusammen. Einziges Thema ihrer Gespräche: der Kosovo-Konflikt. Der russische Diplomat will sich im Rahmen einer neuen Vermittlungsmission heute mit Albanerführern in Priština treffen.
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