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Eine haarige Angelegenheit

■ Anfang September entscheidet das Arbeitsgericht darüber, ob die Nichtbeschäftigung einer schwarzafrikanischen Studentin wegen ihrer geflochtenen Zöpfe im Hotel "Adlon" rechtens war

Eine haarige Angelegenheit wird das Arbeitsgericht demnächst beschäftigen. Am 2. September muß das Gericht darüber entscheiden, wann eine äußere Erscheinung „durchschnittlichen mitteleuropäischen Gegebenheiten“ entspricht. Die Jurastudentin Jocelyne N. trat am 25. Juni vergangenen Jahres einen dreitägigen Job als Aushilfskraft im Hotel „Adlon“ an. Nach wenigen Minuten wurde die junge Frau, deren Eltern aus Burundi stammen, ohne Begründung vom Empfang in den Küchenbereich versetzt. Nachdem sie auch am nächsten Tag in der Küche arbeiten mußte, wurde ihr am übernächsten Tag mitgeteilt, daß sie nicht weiter beschäftigt werden könne.

Die Begründung: Ihre äußere Erscheinung, sprich: ihre geflochtenen Zöpfe, entsprächen nicht „durchschnittlichen mitteleuropäischen Gegebenheiten“ (taz berichtete). Weil ihr Haar sehr fein gekräuselt ist, pflegt sie es in bis zu 200 fein geflochtene Zöpfe zu flechten, so daß eine Art Pagenfrisur entsteht. Der Fall sorgte im vergangenen Jahr für großes Aufsehen. In- und ausländische Zeitungen und Fernsehsender berichteten darüber.

Nachdem das „Adlon“ sich weder bei der Studentin entschuldigt hat noch auf ihren Vorschlag einer außergerichtlichen Einigung in Form eines symbolischen Schmerzensgeldes von 200 Mark eingegangen ist, hat sie nun Klage vor dem Arbeitsgericht eingereicht. Dabei geht es neben dem Verdienstausfall von 150 Mark um Schmerzensgeld von mindestens 1.050 Mark. Diesen Anspruch begründet ihr Anwalt, Daniel Friedrichs, mit der Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes. Dieses umfasse nach ständiger Rechtsprechung „das Recht des einzelnen auf Achtung seiner Menschenwürde und Entfaltung der individuellen Persönlichkeit“.

Die Nichtbeschäftigung seiner Mandantin mit der Begründung, ihre Haartracht entspräche nicht „durchschnittlichen mitteleuropäischen Gegebenheiten“, sei eine Diskriminierung aufgrund ethnischer Merkmale. Jocelyne N., die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, sei unverkennbar Schwarzafrikanerin. Die Studentin sei durch das Verhalten des „Adlon“ „an der Ehre verletzt und schwer gedemütigt“ worden. Des weiteren seien die Beschäftigungskriterien „äußerst fragwürdig“. Die sogenannten Gegebenheiten seien auch in Deutschland „einem Wandel unterworfen“. Jocelyne N. habe, entgegen der Auffassung des „Adlon“, den vorgegebenen Anforderungen im Hinblick auf ein gepflegtes Äußeres, insbesondere auch der Haartracht, entsprochen.

Das „Adlon“ indes weist die Anschuldigungen nach wie vor zurück. Pressesprecherin Sabine van Ommen: „Alles, was gesagt werden muß, wurde vor einem Jahr gesagt“, sagte sie gestern zur taz. Damals hatte der Anwalt des Hotels auf die bestehenden Beschäftigungsvorgaben verwiesen, die „keine hiervon abweichende Haartracht“ gestatteten. Den Vorwurf der Diskriminierung wies das Hotel mit dem Hinweis auf 78 ausländische Mitarbeiter zurück, die das „Adlon“ beschäftige.

Ende vergangenen Jahres hatte sich auch der Verein „Initiative Schwarze Deutsche und Schwarze in Deutschland e.V“ (ISD) eingeschaltet. Der Verein warf dem „Adlon“ vor, daß der Begriff „durchschnittliche mitteleuropäische Gegebenheiten“ rechtswidrig und rassistisch sei. Bei den geflochtenen Zöpfen handele es sich um eine Jahrhunderte alte Form der Haarpflege, die auch jetzt noch weltweit von schwarzen Frauen getragen werde. Doch statt der geforderten öffentlichen Entschuldigung und einer Entschädigung für Jocelyne N. drohten die „Adlon“- Anwälte mit rechtlichen Schritten wegen übler Nachrede.

Einem internationalen First- Class-Hotel sei es nicht möglich, teilten sie dem Verein mit, „jedweden Trend im Bereich der Frisurenmode auszuleben“. Außerdem sei kein Arbeitnehmer gezwungen, bei einem Arbeitgeber mit derartigen Standards zu arbeiten. Doch damit nicht genug. Die „Adlon“- Anwälte warfen dem Verein, den sie als „legitimationslos“ bezeichneten, „geistige Brandstiftung“ vor. Der Vorwurf der Diskriminierung zerstöre „alle Bemühungen nachdenkender Menschen, zu einem gemeinsamen Miteinander zu kommen“. Daraufhin behielt sich der ISD rechtliche Schritte vor. Barbara Bollwahn

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