: Birmas Opposition fordert die Junta heraus
Anläßlich des zehnten Jahrestages des Massakers in Rangun ruft die Liga für Demokratie das Volk zum Aufstand auf ■ Von Jutta Lietsch
Rangun (taz) – Nein, auf keinen Fall werde er in die Straße zum Haus der birmesischen Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi einbiegen, wehrt der Taxifahrer ab. Das sei zu gefährlich, überall warteten Polizisten und Soldaten. Zur Bekräftigung tippt er auf die Titelseite der auf dem Nebensitz liegenden Zeitung New Light of Myanmar. Dort ist wie jeden Tag der mächtige Chef des militärischen Geheimdienstes, Khin Nyunt, abgebildet, dessen Leute alle Besucher filmen, die sich dem Tor zum Grundstück der Oppositionspolitikerin nähern.
Am Anfang der University Avenue steht allerdings nur eine Handvoll Uniformierter. Statt dessen „wimmelt es an strategischen Stellen der Stadt von Spitzeln“, warnt ein Diplomat. Das reicht, um Angst zu verbreiten. Dennoch riefen Oppositionsgruppen zu einem Aufstand gegen die Militärjunta auf. Die Machthaber müßten Angst vor dem Volk haben, drohte der Nationale Rat der Einheit Birmas gestern in einem in Bangkok veröffentlichten Schreiben. Alle prodemokratischen Kräfte sollten sich dem Kampf der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) von Aung San Suu Kyi gegen die Militärdiktatoren anschließen.
Heute jährt sich der Tag, an dem die Armee vor zehn Jahren in die Menge von Demonstranten schoß, die ein Ende der Militärherrschaft, der internationalen Isolation und der Armut forderte. Hunderttausende waren auf die Straße gegangen und mußten die kurze Hoffnung auf Freiheit teuer bezahlen. Hunderte kamen in den folgenden Tagen durch die Kugeln der Soldaten um. Tausende wurden verhaftet, Zehntausende flohen in den Dschungel oder ins Exil.
Seitdem ist der 8. August 1988 zum Symbol der birmesischen Demokratiebewegung geworden. Wie in Birma üblich, wo Presse und Radio sich auf orwellianische Regierungspropaganda beschränken, kursierten deshalb in den letzten Tagen vielfältige Gerüchte über geplante Aktionen der Opposition zum Gedenken an die Massaker des 8. August.
Angefacht wurden die Spekulationen, seit Aung San Suu Kyi jüngst angekündigt hat, sie wolle sich dem Verbot der Junta nicht beugen und auch künftig versuchen, die Mitglieder ihrer Nationalen Liga in anderen Teilen des Landes zu besuchen.
Erst in der vorletzten Woche hatten Soldaten sie gezwungen, nach Hause zurückzukehren, nachdem sie im Auto sechs Tage lang außerhalb von Rangun ausgeharrt hatte. Seitdem forderte die Politikerin die Generäle erneut heraus: Am Donnerstag verlangte sie von der Regierung, die militärischen Bewacher abzuziehen, die seit Jahren auf ihrem Grundstück gleich hinter dem Gartentor sitzen, jeden Ankömmling registrieren und in den letzten Tagen sogar Diplomaten wieder weggeschickt haben. Die Junta lehnte ab, sagte jedoch Verhandlungen zu.
Für den „Staatsrat für Frieden und Entwicklung“, wie sich das Militärregime seit dem letzten Jahr nennt, sind diese Gesten des zivilen Ungehorsams höchst ärgerlich.
Diplomaten der Europäischen Union und anderer Staaten forderten in dieser Woche die Regierung in Rangun auf, endlich einen politischen Dialog mit der Opposition zu beginnen. Zuvor hatte US-Außenministerin Madeleine Albright die Junta bei der Konferenz des Asiatischen Regionalforums in Manila scharf kritisiert.
Trotz aller Spekulationen über Differenzen in der geheimnisvollen Militärjunta „gibt es derzeit keine Anzeichen für eine politische Lockerung“, heißt es in Rangun. Andererseits ist von „Peoples Power“, wie auf den Philippinen vor dem Sturz des Diktators Marcos 1986, in Rangun nichts zu spüren. Einige mutige NLD- Anhänger wohnen auf dem Gartengrundstück Suu Kyis, die zwar häufig scharf verwarnt wurde, aber bislang noch persönlich relativ sicher war. Der Spielraum der Opposition scheint in diesen Tagen extrem gering. Ein Regierungskritiker: „Ich bete und meditiere.“
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