: Wenn die jungen Frauen Ingenieure werden sollen
■ Wie die Universität Duisburg versuchte, Abiturientinnen für die Technik zu begeistern
Bonn (taz) – Die Damen können es einfach nicht glauben. Unfreiwillig mutieren 20 Schülerinnen im Seminarraum von der Zuhörerin zur Dame. Eigentlich wollten sie nur mal schauen, wie Naturwissenschaften und Technik vermittelt werden. Doch mit Eintritt in die „Sommeruniversität für Frauen“ an der Universität Duisburg werden sie konfrontiert mit der geballten Männlichkeit im Fachbereich Maschinenbau, Spezialgebiet Schiffstechnik. „Das Wort Maschinen klingt in den Ohren von Damen oft so fremd, daß sie damit lieber nichts zu tun haben möchten“, doziert der Professor vor dem Overheadprojektor. Die Zuhörerinnen protestieren: „Was? Warum sitzen wir denn dann hier?“ Aber sie widersprechen dann doch nicht so laut, daß der Herr Professor seinen Vortrag unterbrechen müßte. Schiffstechnik ist am Ende des Vortrags für viele „irgendwie doch nicht so interessant“. Zwei Wochen lang versuchte die Universität Duisburg, 120 Oberstufenschülerinnen aus ganz Deutschland für die Studiengänge Elektrotechnik, Maschinenbau, Physik und Chemie zu begeistern. Das Ziel des gestern zu Ende gegangenen Experiments: Die Frauenquoten in den Naturwissenschaften und besonders den Ingenieurstudiengängen anzuheben. Seit Jahren dümpeln die Studentinnenzahlen bei den Elektroingenieuren bundesweit bei mageren drei bis vier Prozent, im Maschinenbau bei zehn Prozent.
Ein Mittel dagegen ist die klassische Frauenförderung. Doch das Thema nervt die Schülerinnen bei ihrem Besuch der Duisburger Universität. Andrea Springer etwa wäre beim Einführungsvortrag der Diplom-Ingenieurin von VW „gern nach vorn gegangen und hätte der Bescheid gestoßen“. Die VW-Beauftragte habe nur „blöden Feminismus“ verbreitet, als sie davon sprach, Frauen müßten gemeinsam die männerbestimmte Technik verändern. Viele Schülerinnen glauben fest, daß sie besonderer Förderung nicht mehr bedürfen. „Man muß sich jetzt durchboxen, das muß man später im Beruf auch“, sagt Simone Wilkes; und Rebekka Metzger meint mit Augenaufschlag und Schulterzucken: „Mehr Männer, warum nicht? Das würde mir gar nichts ausmachen.“
Doch ganz so selbstverständlich wie sich die Besucherinnen ihre Zukunft im technischen Berufsfeld vorstellen, sieht die Wirklichkeit nicht aus. In diesem Jahr meldeten sich 65.000 Ingenieure arbeitslos – und 20 Prozent davon waren Frauen, obwohl sie weit unter 10 Prozent der Ingenieursstudenten stellen. In der VDI-Studie heißt es trocken: „Noch klafft eine große Lücke zwischen dem Idealbild der Einstellungspraxis und dem tatsächlichen Verhalten der Personalchefs.“ Frauen verkörpern nach Ansicht des Ingenieursverbands eigentlich den idealen Managertyp: Sie haben die geforderte kommunikative und soziale Kompetenz, Fremdsprachenkenntnisse und Interesse an politischen und ökologischen Fragen. Doch fast ein Viertel der mit diesen Qualifikationen gesegneten Ingenieurinnen arbeitet nicht in Führungspositionen, sondern woanders, etwa als angelernte Bürokraft. Die Zahl der weiblichen Führungskräfte war für die VDI-Studie „so gering, daß sie nicht in die Berechnung eingeht“. Woran liegt es, daß derzeit so viele Ingenieurinnen arbeitslos sind? „Sie wählen einfach die falschen Fächer“, meint die Soziologin Barbara Schwarze von der Koordinierungsstelle „Frauen geben Technik neue Impulse“ an der Universität Bielefeld. „Frauen wollen eher die Verbindung zur Praxis und wählen daher Bindestrich-Studiengänge, die schon im Namen die Verbindung mit Marketing, Umwelt oder Fremdsprachen andeuten.“ An der TU Berlin hat der Bereich Umwelttechnik einen Frauenanteil von über 40 Prozent. Die These wird von Hans- Bernd Fischer, Leiter des Hochschulmarketings bei Siemens, bestätigt: „Wir nehmen lieber gestandene Elektrotechniker als diese Spezialisten, die wie ein Schmetterling von Blume zu Blume gehüpft sind, aber nichts richtig kennengelernt haben.“ Siemens hat sehr gute Erfahrungen mit Studentinnen der klassischen Studiengänge gemacht: „Wenn sich eine Frau schon mal für so ein Studium entscheidet, dann setzt sie sich auch entsprechend ein.“ Siemens zog die Konsequenz – und stellte 1997 mit Quoten zwischen 12 und 17 Prozent überdurchschnittlich viele Frauen ein. Ein Trend, der sich verstärken könnte. Ab dem Jahr 2000, so lautet eine Prognose des Verbandes Deutscher Ingenieure, wird der Bedarf der Industrie die Zahl der Studienabgänger deutlich übersteigen. Gute Aussichten also für auch Ingenieurinnen. Cornelia Fuchs
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