: Skin-Aufmarsch im Wohngebiet
Mehr als 100 NeofaschistInnen demonstrieren in Aumühle und würdigen Bismarck. Proteste der AnwohnerInnen bleiben erfolglos ■ Von Nadia Berr
Stolz konnte der Ratzeburger Polizeihauptkommissar Detlef Hardt sich und seinen Jungs auf die Schulter klopfen: Durch eine Vielzahl „taktischer Maßnahmen“ und das „professionelle Einsatzverhalten“ aller PolizistInnen sei die Demonstration der Jungen Nationaldemokraten (JN) am Samstag in Aumühle „weitgehend eskalationsfrei“ abgelaufen.
In der Tat konnten über 100 NeofaschistInnen unbehelligt durch den Ort ziehen. Die Polizei räumte ihnen die Straßen frei – und selbst Aumühlener AnwohnerInnen aus dem Weg. Deren Protestkundgebung gegen den rechtsextremen Marsch durch ihr Wohngebiet wurde verboten. So konnten nur vereinzelt Transparente am Straßenrand hochgehalten werden. Viele AntifaschistInnen erhielten Platzverweise, 23 wurden in Unterbindungsgewahrsam genommen.
Die NeofaschistInnen würdigten anläßlich seines 100. Todestages den Reichsgründer Otto von Bismarck als einen „sozialen Nationalisten“. Zu dessen Denkmal, dem sogenannten „Bismarck-Turm“, führte der Aufmarsch, den die JN angemeldet hatte. Daß die Jugendorganisation der rechtsextremen Nationaldemokratischen Partei (NPD) lediglich als Anmelder fungierte, um die Demonstration zu ermöglichen, zeigte sich am Spektrum der TeilnehmerInnen. Die setzten sich überwiegend aus militanten Skinheads aus Norddeutschland zusammen. Sie haben sich in „freien Aktionsgruppen“ zusammengeschlossen, nachdem ihre zwei stärksten Parteien verboten worden sind. Die beiden führenden Köpfe der Hamburger Neonaziszene, Christian Worch und Thomas Wulff, marschierten nicht mit.
Die Polizei hatte die Demonstration genehmigt, da es sich bei der JN nicht um eine verbotene Organisation handelt. Die Anmelder schmückten sich jedoch mit bekannten Personen aus dem neonazistischen Lager, die durchaus als Repräsentanten verbotener Organisationen gelten. Den zentralen Redebeitrag hielt der Münchner Neonazi Michael Swierczek, ehemaliger Vize-Generalsekretär der verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeiterpartei (FAP) und Gründer der „Nationalen Offensive“.
Swierczek ist auch in der „Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei/Auslands- und Aufbauorganisation (NSDAP/AO)“ aktiv. Deren Leiter Garry Lauck wurde in Hamburg wegen Volksverhetzung, Aufstachelung zum „Rassenhaß“ und Propaganda für eine verfassungsfeindliche Organisation zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.
Vor Beginn der Neonazi-Demo hatten EinwohnerInnen von Aumühle versucht, einen neben dem Bismarck-Turm gelegenen Gedenkstein für den Österreicher Georg Schönerer zu verhüllen. Schönerer war radikaler Antisemit, auf den sich auch Adolf Hitler bezog. Doch die Polizei enthüllte das Denkmal wieder, ehe die Neonazis daran vorbeimarschierten.
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