Gemeinsam gegen jugendverdrossene Politik

■ 24 Verbände haben sich vereint, um im Wahljahr Bedürfnisse von Jugendlichen zu artikulieren und Gleichaltrige für die Politik zu gewinnen. Rockkonzerte als Lockmittel

Am häufigsten klagen Jugendliche in diesem Wahlkampf über den mangelnden Einsatz der Politiker für die Interessen und Belange der Jugend. Das „Berliner Jugendbündnis“ hat damit eine Marktlücke entdeckt: 24 Jugendverbände haben sich zusammengeschlossen, um einerseits Interessen der Jugendlichen zu artikulieren, andererseits aber auch Gleichaltrigen eine neue Form von Politik zu präsentieren und sie dafür zu gewinnen.

„Wir wollen vermitteln, daß es Sinn macht, sich einzumischen“, erläutert Jan Kellermann von der Jungen Presse Berlin eines der Ziele des Jugendbündnisses. Initiiert wurde der Zusammenschluß, den es auch bundesweit gibt, vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Und so steht wie bei der DGB-Wahlkampf-Kampagne die Forderung nach einem Politikwechsel im Vordergrund. Kein Wunder, daß sich die Jugendverbände der beiden Regierungsparteien Union und FDP nicht dem Jugendbündnis angeschlossen haben. Das Spektrum des Bündnisses ist dennoch sehr breit: Es umfaßt Schüler- und Studentenvertretungen, kirchliche und gewerkschaftliche Jugendverbände sowie diverse Gruppen linker Parteien.

Hart gerungen wurde daher um die Forderungen, die das Berliner Jugendbündnis als „Meßlatte“ an jugendgerechte Politik stellt. „Das kam nicht in einer Sitzung zustande“, erzählt Petra Jentzsch von der IG Metall lächelnd. Bis in einzelne Formulierungen hinein hätten sie diskutiert, schließlich aber den jeweiligen Minimalkonsens gefunden. „Es gab keine Kampfabstimmungen“, betont Jentzsch ein bißchen stolz.

Dabei gehen die Positionen durchaus weit auseinander. PDS und katholische Jugend seien sich nicht immer einig gewesen, berichtet Sandra Brunner von der PDS- Jugend. Die Zusammenarbeit betrachtet sie trotz der Differenzen als großen Vorteil: Jeder Verband erreiche ein unterschiedliches politisches Publikum. Durch das Bündnis werde die Zielgruppe wesentlich größer.

Die Forderungen des Jugendbündnisses reichen von der Bildungspolitik („Integrierte Gesamtschule als einzige Regelschule), Sozial- und Arbeitsmarktpolitik (unbefristete Übernahme im erlernten Beruf), bis zu Umweltpolitik (ökologische Steuerreform) und zur Sicherung der Grundrechte (Abschaffung des Verfassungsschutzes). Im übrigen befürwortet das Jugendbündnis die Abschaffung der Wehrpflicht sowie die doppelte Staatsbürgerschaft – um nur einige Vorschläge zu nennen.

Mit vielen Aktionen versucht das Jugendbündnis seit seiner Gründung Anfang des Jahres, Jugendliche für Politik zu erwärmen. Festivals und Rockkonzerte dienen dabei oft als Lockmittel. „Niedrigschwellige Angebote“ nennt das Sandra Brunner von der PDS.

Bei ihren Veranstaltungen fiel den Bündnismitgliedern auf: Die (noch nicht organisierten) Jugendlichen sind besser als ihr Ruf. Wenn man mit einzelnen ins Gespräch komme, erzählt Jan Kellermann, spüre man auch ein Interesse an Politik. „Nicht die Jugend ist politikverdrossen, sondern die Politik jugendverdrossen“, ergänzt Petra Jentzsch.

Eine eindeutige Wahlempfehlung gibt das Jugendbündnis nicht. Es fordert aber zu einem Politikwechsel auf. Ob das mit einem Regierungswechsel erreicht wird, da ist sich nicht einmal Juso-Vertreter Hendrik Weipert sicher. Allergisch reagieren die Bündnisleute auf die immer gleiche Frage nach der Finanzierung ihrer Forderungen. „Wir wollen uns mit dem Argument nicht alles kaputtreden lassen“, sagt Debora Gärtner von der LandesschülerInnenvertretung. Geld sei schließlich da, sind sich alle einig, es gehe nur um die Frage der Verteilung.

Wie es nach der Bundestagswahl am 27. September weitergeht mit dem Jugendbündnis, ist noch offen. Doch schließlich gibt es auch noch die Wahl zum Abgeordnetenhaus. Und das Jugendbündnis hat vor, sich weiter einzumischen. Jutta Wagemann

Weitere Informationen auch zu einem Abschlußfest mit Rockkonzert in Frankfurt am Main am 19. September gibt es bei Petra Jentzsch, Tel.: 25387-114.