: Gen-Kartoffeln für Ratten ein gefährlicher Schmaus
■ Experiment zeigt: Genmanipulierte Kartoffeln können Immunsystem schädigen. Mehr Langzeitversuche gefordert
Berlin (taz) – Gentechnisch veränderte Kartoffeln können das menschliche Immunsystem verändern. Dies schließen Forscher des schottischen Rowett-Instituts in Aberdeen aus einem Laborversuch mit Ratten.
Die Nager wurden 110 Tage lang mit einer neuen Kartoffelsorte gefüttert, die Gene von Schneeglöckchen sowie einer südamerikanischen Bohnenart enthielt. Die Gene sind verantwortlich für die Produktion von Lektinen – Proteinen, die die Kartoffeln vor Blattläusen und Fadenwürmern schützen sollten. Lektine sind aber auch dafür bekannt, daß sie das Immunsystem schädigen.
Genau dies geschah bei den Versuchsratten. Die fünf Versuchstiere zeigten außerdem Wachstumsstörungen. Da 110 Tage eines durchschnittlichen Rattenlebens etwa zehn Jahren eines Menschenlebens entsprechen, kann man davon ausgehen, daß der Genuß von Gen-Kartoffeln über Jahre hinweg zu vergleichbaren Immunschäden beim Menschen führt. Arpad Puztai vom Rowett-Institut, der das Experiment geleitet hat, forderte deshalb strengere Tests für genmanipulierte Lebensmittel. „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich mit Sicherheit keine genetisch veränderten Pflanzen essen, bevor ich nicht wenigstens ein vergleichbares Versuchsergebnis sehe“, sagte Puztai.
Damit gebe es einen weiteren Beleg, daß gentechnisch veränderte Organismen mehr neue Eigenschaften haben als nur die ursprünglich erwünschte, bewertet Henning Strothoff vom Gen-ethischen Netzwerk in Berlin den Aberdeener Versuch. Für Michaele Hustedt, umweltpolitische Sprecherin der bündnisgrünen Bundestagsfraktion, ist die Konsequenz: „Diese Art von Risikoforschung müßte jetzt im großen Maßstab aufgezogen werden.“
Der britische Labour-Abgeordnete Ian Gibson, Mitglied der Parlamentskommission für Nahrungskontrolle, schlägt vor, die Herstellung von genveränderten Nahrungsmitteln bis auf weiteres auszusetzen. „Ein solches Moratorium über fünf bis zehn Jahre wäre sinnvoll“, sagt auch Petra Cornelia Fleissner, Gen-Technik-Expertin vom Umweltinstitut München. Es komme jetzt darauf an, Langzeitfolgen, wie sie im Aberdeener Experiment aufgetreten sind, systematisch zu erforschen. „Die Gen- Food-Unternehmen werden ihr Entwicklungstempo massiv runterfahren müssen.“
Bei Monsanto Deutschland will man aber erst einmal den genauen Forschungsbericht abwarten. „Hier ging es um ein reines Forschungsprojekt und nicht um ein marktfähiges Produkt“, sagt Monsanto-Sprecher Helmut Wagner. Niels Boeing
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