: Die Weltausstellung und ihr Buchhalter
■ Der Chefbuchhalter der Expo 98 in Lissabon sitzt in Untersuchungshaft. Er soll Millionenbeträge unterschlagen haben
Berlin (taz/dpa) – Bei der Weltausstellung 1992 in Sevilla leitete die Staatsanwaltschaft erst Jahre später Ermittlungen gegen die Finanzverantwortlichen ein – nachdem die Expo ein Milliardendefizit hinterlassen hatte. Den Organisatoren der derzeit laufenden Weltaustellung in Portugals Hauptstadt Lissabon blieb soviel Zeit nicht: Am Samstag abend wurde der Chefbuchhalter der Expo 98, João Caldeira, wegen des Verdachts der Unterschlagung verhaftet. Es seien, sagte Expo-Chef Antonio Mega Ferreira, Zahlungen in Millionenhöhe an die Expo ausgewiesen, allerdings nicht auch tatsächlich gutgeschrieben worden. Caldeira, so der Vorwurf, soll auf diesem Wege insgesamt bis zu einer Milliarde Escudos (rund zehn Millionen Mark) abgezweigt haben. Drei weitere Mitarbeiter der Buchhaltung wurden vorübergehend vom Dienst suspendiert.
Die Expo in Lissabon hatte versucht, den schon traditionellen Defiziten der Weltaustellungen dadurch zu entgehen, daß die Ausstellung auf dem Gelände einer Industriebrache im Nordosten Lissabons errichtet wurde – und hier soll, so die Idee des Projektes „Expo-Urbe“, im Anschluß ein komplett neues Stadtviertel entstehen, mit 25.000 Wohnungen und 10.000 Arbeitsplätzen. Der Verkauf der Immobilien soll Geld in die Expo-Kassen bringen. Die Ausstellungs-Pavillons der Teilnehmerländer bilden die Basis eines künftigen Messegeländes – 70 Prozent der Bauten sollen bleiben. Nicht zuletzt dieser Umstand hat der Expo 98 die Kritik eingetragen, ohne architektonische Höhepunkte auszukommen.
Die jetzt aufgedeckten Betrügereien des Chefbuchhalters hängen, so berichten es Portugals Medien, offenbar mit dem „Expo-Urbe“- Projekt zusammen. Caldeira soll in den Bilanzen Zahlungen für Grundstücke und Wohnhäuser verbucht haben, die jedoch nie auf die Konten der Weltausstellung gelangt sind.
So bleibt die Frage, wie die Weltausstellungen noch zu finanzieren sind. Die Zuschauerzahlen, nach den Fehlschlägen von Sevilla mit 10 bis 15 Millionen ohnehin vorsichtig kalkuliert, scheinen selbst noch unter diesen Erwartungen zu bleiben – und die jüngsten Ermittlungen dürften dem Image wenig förderlich sein. Die Expo, so scheint es, bleibt ein geldverschlingender Moloch, der zudem ästhetisch und finanziell überholt ist. pkt
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