: Asyl-Familie getrennt
■ Verfassungsgericht stellt Schengener Abschiebeabkommen über Schutz der Familie
Freiburg (taz) – Das Schengener Asyl-Abkommen ist wichtiger als das Grundrecht auf Familienleben. Das entschied eine Kammer des Bundesverfassungsgerichts in einem gestern bekanntgemachten Beschluß. Abgelehnt wurde damit die Verfassungsbeschwerde eines türkischen Kurden, der getrennt von seiner Familie in Spanien einen Asylantrag gestellt hatte.
Die Familie war 1995 aus der Türkei geflüchtet. Frau und Kinder reisten direkt nach Deutschland. Der Familienvater stellte seinen Asylantrag in Spanien, brach das Verfahren aber ab. Er reiste zunächst in die Türkei und dann weiter nach Deutschland, wo er einen neuen Asylantrag stellte. Die Verfassungsrichter lehnten den Antrag des Mannes nun ohne weitere Prüfung ab – weil nach dem Schengener Abkommen Spanien für sein Asylverfahren zuständig sei. Ziel des Abkommens, das inzwischen 13 der 15 EU-Staaten unterzeichnet haben, ist, daß Flüchtlinge nur in einem EU-Staat Asyl beantragen.
Hiergegen hatte der Mann, der derzeit illegal in Deutschland lebt, geklagt. Gerade während der psychischen Belastung einer Flucht sei das Zusammenleben mit der Familie besonders wichtig, argumentierte der Mann. Das Grundgesetz stellt „Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung“. Doch den Richtern war das Schengen-Abkommen wichtiger. Für die „überschaubare Dauer“ des Asylverfahrens sei eine Trennung der Familie „zumutbar“. Erst wenn einer der Ehepartner anerkannt ist, kommt nach dem Schengener Abkommen eine Zusammenführung in Betracht. Dies gelte in der Regel auch, so die Richter, wenn minderjährige Kinder in der Familie lebten. Schließlich habe die Familie durch die „zeitlich gestaffelte Ausreise in unterschiedliche Zielländer“ selbst den Grund für die gespaltene Zuständigkeit gelegt. Ein anderes Ergebnis sei nur in Fällen möglich, bei denen die familiäre Trennung den Betroffenen „nicht zurechenbar“ ist. Az: 2 BvR 99/97 Christian Rath
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen