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Umbaute Telefonzelle mit Billard und Klavier

■ Seeleute aus 22 Nationen treffen sich im „Duckdalben“. Zwölf Jahre ist der Club alt

Die schweren Träger der Köhlbrandbrücke ragen im Hintergrund auf. Wie ein kleines gallisches Dorf inmitten einer feindlichen Welt liegt das Seemannsheim, umzingelt von Containern, Lagerhallen, Ladekränen und Gabelstaplern. Rundum rasen auf vier Straßen pausenlos Autos und LKWs vorbei.

In Hamburg verbringen Seeleute von international verkehrenden Frachtschiffen nur wenige Tage, oft nur einzelne Stunden. Den Hafen verlassen viele nie. Ihnen inmitten des Molochs aus Verkehr, Industrie und Handel ein Stück Zuhause zu bieten, hat sich die deutsche Seemannsmission auf die Fahnen geschrieben. Ihr Seemannsheim Duckdalben feiert morgen offiziell seinen 12. Geburtstag.

Der Name offenbart viel über die Ziele. Duckdalben sind in die Elbe gerammte Holzpfähle, an denen die Schiffe festmachen, um eine Pause einzulegen. Im gleichnamigen Club sollen die Seeleute eine Auszeit von ihrem Alltag an Bord erleben. Beim Betreten des Hauses scheint man die hektische Außenwelt zu verlassen; der Club strahlt eine kaum zu ahnende Wärme und Ruhe aus. Im Duckdalben können die Besucher an der Bar verweilen, Billard spielen, Videos ansehen, auf dem Klavier klimpern oder schlicht nichts tun. 238.863 Seeleute kamen in den vergangenen 12 Jahren, 66 sind es im Schnitt täglich. Abends treffen hier Männer aus 18 bis 22 Nationen aufeinander.

Eine Besonderheit stellt der „multireligiöse Andachtsraum“ dar. Unterschiedlichen Religionen ist hier jeweils eine kleine Ecke gewidmet: Dem Buddhismus, dem Islam, dem Christentum, der jüdischen Religion, dem Hinduismus und den Sikhs. „Die Seeleute verlassen auf einer Fahrt alles“, erklärt Clubleiter Jan Oltmanns: „Ihre Freunde, ihren Kulturkreis, ihren Rechtsraum. Nur ihren Gott können sie immer bei sich tragen“.

Gleich im Eingangsbereich befinden sich indes die Räume, welche die Seeleute meistens als erstes ansteuern: Vier Telefonzellen. Oltmanns beschreibt den ganzen Seemannsclub schmunzelnd als „umbaute Telefonzelle“. Denn nur übers Telefon können die Seeleute den Kontakt zu den Angehörigen und FreundInnen halten. Und sogar das wird ihnen schwer gemacht: Vom Schiff aus kostet ein Ferngespräch bis zu 20 Mark in der Minute. Und über öffentliche Telefonzellen sind 71 Länder der Erde gar nicht zu erreichen. Bei Duckdalben, so Oltmanns, können die Seeleute nicht nur weltweit telefonieren. Sie können das auch zu Beträgen tun, die sie sich von ihrem Arbeitslohn leisten können.

Elke Spanner

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