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Sexualorgane und andere Harmlosigkeiten

■ Schmidt: Helen Vita sang von sexhungrigen Weibern und dauergeilen Männern

Die Sängerin Helen Vita ist ein Relikt aus den Kinderjahren dieser Republik. Allgegenwärtig waren bei ihrem Konzert im Schmidt Theater die quälend engen und restriktiven Moralvorstellungen der 50er und 60er Jahre. Nur in diesem Kontext läßt sich der Reiz erklären, den ihre Lieder und Chansons einstmals gehabt haben müssen. Er ist nämlich inzwischen etwas verblaßt, der Reiz.

Vor allem gilt dies für ihre „Französischen Volks- und Kinderlieder“, die auch am Montag abend wieder einen großen Teil des Programms ausmachten. Die schlüpfrig-frivolen Geschichten um Nonnen, Keuschheitsgürtel und lüsterne Marquisen leben von der neckischen Nichtnennung sexueller Aktivitäten, sind aber an sich erstaunlich wenig witzig. Das mag auch daran liegen, daß die Texte sich nirgendwo von herkömmlichen pornographischen Rollenklischees lösen: Dem sexhungrigen Weib, das nie genug bekommen kann, steht das dauergeile, megapotente Mannsbild gegenüber.

Überraschungsmomente, augenzwinkerndes Ironisieren bleiben aus, statt dessen gibt es bündelweise Umschreibungen von Sexualorganen, die von der Umgangssprache längst überholt worden sind. Ins Ärgerliche hinein gesteigert wird der Eindruck, den die Texte hinterlassen, durch die Interpretation, die Helen Vita und ihr Begleiter Frank Golischewski abliefern. Die herausfordernd-freche Diseusen-Manier, die jegliche Distanz vermissen läßt, macht nirgends klar, daß diese Lieder nur Zeugen ihrer Zeit sind, sondern tut so, als seien sie unvermindert aktuell.

Auf ähnlichem Niveau befanden sich die eingeschobenen Vortragstexte von Kurt Tucholsky (!) wie „Zur soziologischen Psychologie der Löcher“, gelehrten Vorlesungston aufgreifend, aber doch nur um das Eine kreisend. Auch die Chansons von Friedrich Hollaender, Eduard Künneke und anderen konnten kaum mehr als plüschig-angestaubte Harmlosigkeit vermitteln.

Jörg Königsdorf

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