■ Rußland findet kein Mittel gegen die Krise seines Finanzsystems
: Euro statt Rubel?

Der Rubel rollt scheinbar unaufhaltsam abwärts. Zugleich sinken die Kurse an der Moskauer Börse auf immer tiefere Tiefststände. Nichts spiegelt den ökonomischen Niedergang eines Landes exakter wider als der Verfall seiner Währung und seiner Börse. Deutlich mehr als sechs russische Rubel sind mittlerweile für einen US-Dollar auf den Devisenmärkten zu zahlen – dies ist auch ein Kräfteverhältnis.

Staatsverschuldung, bürokratische Aristokratie, Ökonomiemafia, eine konzeptionslose Steuerpolitik, schwächelnde Industrie und eine vielfach desolate Infrastruktur sind Merkposten beim Scheitern des kapitalistischen Irrglaubens: „Alles wird gut, wenn wir es dem Markt überlassen!“

Die rigide Flucht vom geschützten Sozialismus-

eiland in das rauhe Weltmeer der Konzernhaifische mußte Rußland zwangsläufig übel bekommen. Nachdem 1997 erstmals kein Produktionsrückgang mehr zu vermelden war, wirft die aktuelle Krise, die auch eine politische ist, das Land nun noch weiter zurück. Das 23-Milliarden-Dollar-Hilfspaket von Weltbank und Währungsfonds scheint zu verpuffen und vorrangig der Bedienung von Auslandsschulden zu dienen. Aber es sind nicht allein hausgemachte Gründe verantwortlich. USA und Westeuropa ringen um die Rohstoffreserven sowie die Absatzmärkte an Wolga und Don. Als kürzlich der Spekulant George Soros in der Financial Times dafür warb, den Rubel an Dollar oder Euro fest anzubinden, illustrierte er auch den politischen Kampf hinter den Kulissen des Globalismus. Es scheint, daß zumindest private Finanziers gegen den Rubel spekulieren, um ihn – ins Bodenlose abgewertet – dann durch die Anbindung an eine Leitwährung quasi aufzukaufen. Ein Euro-Rubel würde das EU-Hinterland auf Gedeih und Verderb mit der Europäischen Zentralbank in Frankfurt verknüpfen.

Eine Exportindustrie von Rang, die von einer Rubelabwertung durch niedrige Preise im Ausland profitieren könnte, existiert in Rußland nicht. Importe verteuern sich zusätzlich durch einen schwachen Rubel. Psychologisch – und Ökonomie ist immer ein gut Maß Glaube – ist der Rubelverfall ein Desaster, auch für die russische Bevölkerung. Jede Krise birgt aber auch den Keim des Aufschwungs in sich. Rußland wäre gut beraten, dabei nicht auf Bonn und Washington zu setzen, sondern auf eine stabile, eigenständige Währung. Hermannus Pfeiffer

Der Autor ist freier Journalist in Hamburg