Trotz Kritik wird weiter abgeschoben

■ Berlins Innensenator Jörg Schönbohm verteidigt die Abschiebungen bosnischer Flüchtlinge

Berlin (taz) – Trotz massiver Kritik hat Berlins Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) gestern angekündigt, daß es weitere Abschiebungen bosnischer Flüchtlingen aus der Stadt geben wird: „Wir fahren diesen Kurs weiter.“ Er begründete die Abschiebungen damit, daß aus Berlin erst rund 10.000 von insgesamt 30.000 Flüchtlingen nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt seien. „Das ist zuwenig, in den meisten anderen Bundesländern sind schon mehr als die Hälfte zurückgekehrt“, so Schönbohm. Wer nicht freiwillig zurückkehre, müsse mit Abschiebung rechnen. Überdies müsse überlegt werden, illegal Eingereisten die Sozialhilfe zu verwehren.

Die harte Linie soll auch für die weiterhin in großer Zahl aus Jugoslawien kommenden Flüchtlinge gelten. Nach Aussagen Schönbohms kommen derzeit im Monat durchschnittlich 200 Menschen aus diesem Gebiet nach Berlin, vor allem aus dem Kosovo.

Mitte Juli waren 74 bosnische Flüchtlinge in einer großangelegten Aktion nach Sarajevo abgeschoben worden, darunter auch Traumatisierte. Flüchtlingsorganisationen, hochrangige Kirchenvertreter, SPD, PDS und Grüne hatten dagegen massiv protestiert. Der ehemalige EU-Administrator von Mostar, Hans Koschnick, hatte gesagt, daß ihn die Abschiebungen an die „Gestapo-Zeit“ erinnerten. Die US-Regierung hatte angemahnt, daß eine erzwungene Rücksendung von Flüchtlingen aus Deutschland den Friedensprozeß in Bosnien gefährde. Zu den Vorwürfen von Juristen, die Abschiebungen seien teilweise rechtswidrig gewesen, weil für einzelne Betroffene Rechtsschutz vorgelegen hätte, äußerte sich Schönbohm nur schwammig: So seien die Festnahmen in „normal üblichen Verfahren“ erfolgt.

Außerdem wurden laut Schönbohm nur Personen abgeschoben, deren Duldung entweder abgelaufen oder zuvor widerrufen worden war. Die Berliner Justizverwaltung hatte kritisiert, daß Briefe mit Schreiben über ablaufende Duldungen nicht persönlich zugestellt wurden. Julia Naumann