SPD will Versprechen schnell einlösen

■ Drei Monate Zeit gibt sich die SPD, um wesentliche Gesetze der Regierung Kohl zurückzunehmen. Auch eine Steuerreform soll kommen. Vorausgesetzt, der Wechsel klappt. Eine große Koalition hält Schröder

Die SPD will ihre Wahlversprechen im Fall der Regierungsübernahme unverzüglich einlösen. Das sieht das „Startprogramm“ für die ersten Monate einer SPD-geführten Regierung vor, über welches das SPD-Präsidium heute berät. Eine Parteisprecherin sagte, das Programm spitze die Wahlversprechen der SPD zu und rücke ein „Bündnis für Arbeit“ in den Mittelpunkt. Die Sozialdemokraten wollen dem Vernehmen nach Reformprojekte der Regierung Kohl zurücknehmen und eine Steuerreform verwirklichen. Am Donnerstag will SPD- Kanzlerkandidat Gerhard Schröder das Programm der Öffentlichkeit vorstellen.

Schröder faßte gestern abend in der ZDF-Sendung „Bonn direkt“ sein Sofortprogramm mit den Worten zusammen, es solle „die Belastung der schwer arbeitenden Menschen“ reduzieren. Im wesentlichen soll dies durch Korrekturen der Rentenpolitik sowie beim Kündigungsschutz und bei der Lohnfortzahlung erreicht werden. Die Vorhaben sind Bestandteil von neun Kernversprechen, welche die SPD im Wahlkampf abgegeben hat. Dazu zählen mehr Arbeitsplätze, die durch eine „konzertierte Aktion für Arbeit, Innovation und Gerechtigkeit“ und ein Sofortprogramm für Jugendliche geschaffen werden sollen. Familien mit zwei Kindern will die SPD um 2.500 Mark pro Jahr entlasten.

Die SPD hat zudem angekündigt, nach einer Regierungsübernahme die Rentenreform der Koalition wieder zurückzunehmen. Durch ein „Rentenkorrekturgesetz“ solle die Absenkung des Rentenniveaus von 70 auf 64 Prozent gestoppt werden, die nach dem Willen der regierenden Koalition von Union und FDP zum 1. Januar 1999 in Kraft treten soll. Auch die Konsensgespräche mit den Stromherstellern über einen Ausstieg aus der Atomenergie brachte die SPD wieder ins Spiel. Sie sollten so schnell wie möglich eingeleitet werden.

Laut Focus verpflichtet sich die SPD, über eine große Steuerreform eine „Nettoentlastung in einem finanzpolitisch vertretbaren Umfang von bis zu zehn Milliarden Mark“ zu ermöglichen. Zudem wolle die SPD die Bußgelder wegen illegaler Beschäftigung auf bis zu eine Million Mark anheben.

Die Union reagierte gereizt auf das 100-Tage-Programm der SPD. CDU-Generalsekretär Peter Hintze nannte das SPD-Startprogramm einen „Generalangriff auf die Arbeitsplätze in Deutschland“. Wer die Reformen der Regierung zerstöre, nehme den Verlust von Arbeitsplätzen „in Millionenhöhe“ in Kauf. Regierungssprecher Otto Hauser (CDU) erklärte, Schröder verspreche das „Blaue vom Himmel“. Die „Wundertüte“ von Maßnahmen könne die SPD nicht seriös durchrechnen. Nicht Schröders gute Worte hätten die Zahl der Arbeitslosen in den vergangenen Monaten sinken lassen, sondern vor allem die Reformen der Bundesregierung.

Obwohl die angekündigte Rücknahme der Kohlschen Reformen als eine Absage an eine große Koalition zu verstehen sind, hat sich Gerhard Schröder diese Möglichkeit in „Bonn direkt“ erneut offengehalten. Er lehnte es ab, über Personen und Koalitionen zu spekulieren. Es gebe „prinzipiell diese beiden Möglichkeiten: Rot-Grün ohne PDS und große Koalition“. Schröder bekräftigte, auch wenn es für SPD und Grüne allein ganz knapp nicht reiche, würde er sich nicht von der PDS mit zum Kanzler wählen lassen. rtr/AP/taz