Der homosexuelle Mann... Von Elmar Kraushaar

...ist dran. Zu lange mußte sich die Medienmeinung in den vergangenen Jahren mit Homo-Ehe, schwulen Managern und bunten CSD- Umzügen beschäftigen, voller Verständnis und mit einem kessen „O la la“ auf der Zunge. Alteingesessene Vorurteile blieben dabei versteckt und mühsam unterdrückt. Gab im letzten Jahr die Ermordung von Gianni Versace Gelegenheit, Schwule wieder einmal in ganz anderem Licht zu betrachten, animiert dazu nun der Fund der Bilder von Zandvoort.

Den Anfang machte diesmal der seriöse Spiegel, der schon in der allerersten Phase der Aids-Berichterstattung in den 80er Jahren sich als besonders homophober Kenner der Szene aufspielte. Auch in der Zandvoort-Geschichte wurden wieder von Hamburg aus die dunklen Ecken der Berliner Subkultur kompetent ausgeleuchtet: „Die Anonymität der Großstadt und die gerühmte Libertinage, unter der sich Deutschlands größte Homosexuellen-Gemeinschaft etablieren konnte, liefert auch den Humus, in dem eine verschworene Päderasten- und Pädophilenszene gedeiht.“ Das Terrain ist abgesteckt, der Dung verteilt. Dazu nennt der Spiegel die Namen und beschreibt die Orte, damit sich auch jeder gleich zurechtfindet.

Wie die B.Z., Berlins größtes Boulevardblatt, das unter neuer Leitung noch gröbere Töne spuckt als bislang. „Platz der Schande“, wird da getitelt und dazu eine Luftaufnahme geliefert von Schönebergs schwulem Kneipendreieck. Damit nicht genug, natürlich wird auch ein Reporter losgeschickt, ganz genau nach Spiegel-Lageplan, um sich „Nachts im Revier der kaputten Männer“ zu bewegen. Zwar war Markus Pönitz, so heißt der mutige Mann, aufs Schlimmste gefaßt, doch hatte der Spiegel zuviel versprochen: „An der Theke lehnt ein junger Bursche, vielleicht 16 oder 17 Jahre alt. Er bestellt Campari-Orange, läßt sich Wechselgeld geben. Mit einem Mann, der sein Vater sein könnte, verschwindet er im hinteren Teil des Ladens, wirft auf die Dartscheibe.“ Szenen einer Kneipe, aber es geht noch weiter: „Ein dicker Kerl kommt zur Tür rein. Großes Hallo!. Offenbar ein Stammgast.“ So also sieht es in den Zentren der brutalsten Verbrechen an Kindern aus. Das jedenfalls wollen uns die Rechercheure von Spiegel und B.Z. glauben machen und verquirlen – ganz fasziniert von den eigenen Vorstellungen im Kopf – die schrecklichen Bilder von Zandvoort mit den Kneipenszenen in Berlin, dem Stricherelend am Bahnhof Zoo und den Billiggeschäften der Pornofilmer in Tschechien, Ungarn und Polen. Daß die brutalen Verbrechen an Kindern sowenig nur zu tun haben mit den Prostitutionsgeschäften von Heranwachsenden, scheut die Medien nicht, das eine mit dem anderen gleichzusetzen.

Mit der Gleichung schwul = Kinderschänder kann man endlich wieder alles, was man von diesen bösen Burschen ahnte, reaktivieren. Man kann aber auch mit der falschen Fährte auf die schwule Spur gekonnt ablenken. Alle Zahlenerhebungen aus dem grauen Feld des Mißbrauchs und der Gewalt gegen Kinder verweisen bei der Tätersuche auf das nähere Umfeld der Kinder. Da aber läßt sich nur schwer recherchieren; da reicht keine einfache Schwarzweißskizze mehr. Und viel zu fest sitzen die Bilder darüber, wie die Familie ist und zu sein hat.