■ Kommentar: Berliner Kulturniveau
Abends schön ausgehen, das macht von Zeit zu Zeit jeder gerne. Die eine zieht es ins Kino, den anderen zum Theater, und vielleicht darf's auch mal ein gemeinsamer Kabarettbesuch sein. Gut, daß Berlin eine Kulturstadt ist, mit dem dazugehörigen, breitgefächerten Angebot, aus dem jeder auswählen kann, was ihm gefällt. Anders als in irgendeinem Provinzkaff, wo sie die Kneipen noch vor Mitternacht abschließen und die Spätvorstellung im örtlichen Lichtspielhaus um 20 Uhr beginnt.
Nun die neueste Meldung in Sachen Berliner Kabarett Anstalt, kurz BKA. Das Kreuzberger Bezirksamt war sich gestern über alle Parteigrenzen hinweg einig, den Kabarettisten den händeringend gesuchten neuen Stellplatz für ihr BKA-Zelt zu verweigern. Das gleiche war den BKA-Leuten bereits mit dem Schloßplatz in Mitte passiert, auch dort wollte sie niemand sehen.
Wir erinnern uns: Als sich vor einigen Jahren herausstellte, daß das Tempodrom an seinem angestammten Domizil im Tiergarten nicht würde bleiben können, machten eine ganze Reihe von möglichen Ausweichquartieren die Runde: die Brache an der Grenze zu Treptow und Gott weiß was sonst noch. Die Begründung für das Scheitern des Vorhabens war damals immer die gleiche: Die Anwohner könnten sich in ihrer Ruhe gestört fühlen. So ist es jetzt auch der Berliner Kabarett Anstalt ergangen, Ruhestörung ist der Grund für die Ablehnung der Bezirkspolitiker.
Die Botschaft ist klar: Kultur, Amüsement und Spaß sollen alle haben, aber bitte nicht in unserer Nachbarschaft. Es ist schon widersinnig: Tagsüber und vielerorts auch nachts produzieren Hunderttausende Autos auf den Straßen einen Lärm, der erwiesenermaßen die Menschen krank macht. Dagegen wehrt sich keiner. Wenn es aber um das Vergnügen anderer geht, dann ist ruck, zuck der Ofen aus – zero tolerance. Kulturstadt Berlin? Der letzte macht das Licht aus. Ulrich Clewing
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