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Nur Haut und Knochen

„Präparieren ist nicht Ausstopfen“: Sieben Monate Arbeit braucht es, bis aus einem toten Okapi ein Museumsobjekt geworden ist  ■ Von Malte Weber

„Abscheuliche Staubfänger“, schimpft Klaus Zwonarz, seien das, was einige sogenannte Präparatoren da fabrizierten. Weil die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist, könne sich theoretisch jeder am toten Tier versuchen. Mit dem Wesen eines Uhus oder Wiesels habe das, was dann vom Regal glotzt, allerdings nichts mehr gemein.

Zwonarz dagegen ist Fachmann und leitender Präparator am Zoologischen Institut der Uni Hamburg. „Präparieren ist kein anderes Wort für Ausstopfen“, stellt er klar und beschreibt, wieso beispielsweise das Okapi, die Waldgiraffe, die seit 1990 im Zoologischen Museum zu sehen ist, sieben Monate Arbeit erforderte, bevor sie zum Ausstellungsstück erhoben wurde: Zuerst formt er ein Plastilin-Modell im Maßstab 1:3, bei dem er schon die genaue Haltung und Mimik einplant. „Wenn ich präpariere, will ich nicht irgendein Tier der Art zeigen, sondern genau das. Es ist wie beim Porträtieren, wo man auch das eigene Bild haben will und nicht das irgendeines Menschen.“

Dafür sammelt er sich aus den Uni-Archiven alles über die jeweilige Tierart zusammen, liest Reiseberichte und blättert in alten Zeichnungen und Bildbänden, um sich einen umfassenden Eindruck zu verschaffen. – Manchmal bekommt er von Expeditionen nur gegerbte Haut, Schädel und Beckenknochen. Auch das reicht ihm, denn am Schädel erkennt er Ernährung und Körperhaltung, am Becken kann er die Größe errechnen.

Sind die Vorarbeiten abgeschlossen, modelliert er aus Plastilin das Tier in Lebensgröße, macht einen Negativabdruck aus Gips und legt diesen mit in Polyester getauchten Glasfasermatten aus. So ist das Modell unveränderbar und sehr leicht, es muß nur noch die gegerbte Haut „drübergeklebt“ werden – fertig ist die Dermoplastik.

Ähnlich aufwendig ist das Restaurieren alter Exponate. „300 Jahre alte Ausstellungsstücke sind wirklich ausgestopft und zum Teil in furchtbarem Zustand“, erzählt Zwonarz. Selbst er bekomme schweißnasse Hände, wenn er an den unschätzbaren Wert der teilweise längst ausgestorbenen Tiere unter seinem Skalpell denkt. „Jeder Schnitt muß sitzen – und du weißt, daß es weltweit nur drei Museumsstücke dieser Tierart gibt ...“

Das Zoologische Museum, Martin-Luther-King-Platz 3, ist täglich außer montags von 9 bis 18 Uhr, am Wochenende von 10 bis 17 Uhr geöffnet, der Eintritt ist frei.

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