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Kongo als Bühne für den regionalen Krieg

Mehrere Staaten des südlichen Afrika wollen zugunsten Kabilas in den Bürgerkrieg im Kongo eingreifen. Es bahnt sich ein Machtkampf zwischen afrikanischen Ländern um Einflußsphären an  ■ Von Dominic Johnson und Oliver Meisenberg

Berlin (taz) – Der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo droht zu einem Regionalkonflikt zu eskalieren. Die „Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika“ (SADC), die 14 Staaten im Süden des Kontinents vereint und der der Kongo seit 1997 angehört, hat auf einem Verteidigungsministertreffen in Simbabwe beschlossen, die Regierung von Laurent Kabila in ihrem Kampf gegen Rebellen zu unterstützen.

„Wir sind bereit, in jeder Form und im Rahmen unserer Möglichkeiten unsere Unterstützung zu leisten“, sagte Simbabwes Präsident Robert Mugabe nach dem Ministertreffen am Dienstag abend. Es sei nötig, „so bald wie möglich“ im Kongo zu intervenieren, um „der Regierung von Präsident Kabila zu helfen, Frieden und Sicherheit wiederherzustellen“.

Gestern führte Simbabwes Verteidigungsminister aus, man werde „mit Menschen und Material“ eingreifen. Auf dem SADC-Treffen bat Kongos Regierung angeblich um Luftunterstützung aus Angola, um den Rebellen die Lufthoheit zu nehmen, mit der sie ihre beiden Fronten im Osten und Westen des Landes verbinden. Zudem solle Simbabwe Bodentruppen schicken und Namibia logistische Hilfe leisten.

Zwar nahmen nur fünf Länder an dem Treffen teil, aber weil der Beschluß von Simbabwes Präsident Mugabe in seiner Funktion als amtierender Präsident der Sicherheitsstruktur der SADC herbeigeführt wurde, gilt er als grünes Licht für SADC-Mitglieder, der Regierung des Kongo zu helfen. Sollte es zu einer Militärintervention aus dem südlichen Afrika zugunsten Kabilas kommen, nachdem Ruanda, Burundi und Uganda bereits die Rebellen im Osten des Kongo unterstützen, wäre der regionale Krieg perfekt.

Nicht an der Pro-Kabila-Front beteiligt ist Südafrika, das dem Gipfel in Simbabwe fernblieb. Der Gipfelbeschluß bedeutet einen Sieg für Robert Mugabe in seiner Rivalität mit Südafrikas Präsident Nelson Mandela zur Führerschaft im südlichen Afrika.

Ein Einspringen Angolas, dessen Regierung die einzige funktionierende Militärmacht in der Region um Kongos Hauptstadt Kinshasa darstellt, würde kriegsentscheidend wirken. Bis gestern hatte sich Angolas Regierung noch nicht festgelegt. Ihr Stillhalten hat es bisher den Rebellen ermöglicht, im Westen des Kongo nahe der Grenze zu Angola Fuß zu fassen, könnte aber umgekehrt bei einer Gegenoffensive aus Kinshasa der Regierung Kabila zugute kommen. Angolas Interesse im Kongo besteht vor allem darin, daß es eine stabile Regierung in Kinshasa gibt, um den angolanischen Unita-Rebellen ihr Rückzugsgebiet zu nehmen. Wer diese Regierung führt, ist zweitrangig.

Simbabwe soll bereits Teile seiner Luftwaffe in die südkongolesische Stadt Lubumbashi geschickt haben; Namibia hat nach namibischen Presseberichten 21 Tonnen Munition an Kabila geliefert. Beide Operationen werden von den jeweiligen Regierungen dementiert. Robert Mugabe und Sam Nujoma, die Präsidenten von Simbabwe und Namibia, gelten als engste politische Verbündete Kabilas in der Region. Zudem schuldet die Regierung des Kongo beiden Ländern Geld: Simbabwe umgerechnet 93 Millionen US-Dollar in unbezahlten Rechnungen aus Lieferungen von Militärmaterial an Kabilas Rebellen während des Krieges gegen Mobutu, Namibia 25 Millionen namibische Dollar aus einem neueren Kredit.

Für Namibia ist ähnlich wie für Simbabwe das Engagement auf seiten Kabilas eine Möglichkeit, sich vom übermächtigen Nachbarn Südafrika abzugrenzen. Simbabwe und Tansania sind außerdem an der Ausbildung und Umstrukturierung von Kabilas Sicherheitskräften beteiligt. Kabila steht ideologisch in der Nachfolge des früheren sozialistischen tansanischen Präsidenten Julius Nyerere, der als Pate der meisten Guerillabewegungen der Region gilt.

Formal sollte der SADC-Beschluß erst erfolgen, nachdem die Außenminister von Namibia, Sambia, Simbabwe und Tansania von einer Reise ins Kriegsgebiet zurückgekehrt waren, auf der sie feststellen sollten, ob es sich bei der Rebellion um eine Invasion aus Ruanda und Uganda handele, wie Kabila behauptet. Aber schließlich kamen die Verteidigungsminister den Außenministern zuvor. Sie fühlten sich wohl von der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) gestärkt, die am Dienstag die kongolesischen Rebellen aufforderte, „unverzüglich die Waffen niederzulegen und einen konstruktiven Dialog mit der Regierung zu suchen“.

Standen 1996/97 das südliche und östliche Afrika geeint gegen die Mobutu-Regierung in Kinshasa, ist heute das südliche Afrika auf seiten der kongolesischen Regierung und das östliche Afrika – aber nur zum Teil – auf seiten der Rebellion. Es ist nicht zu erwarten, daß eine dieser beiden Seiten die Oberhand behält. Vielmehr deutet sich an, daß ein gemeinsames Interesse die rivalisierenden Nachbarländer des Kongo eint: nämlich der Wunsch nach einer relativ schwachen kongolesischen Regierung, die allen freie Hand bei der Lösung innenpolitischer Probleme auf kongolesischem Territorium läßt. „Unser Land wird zu einem Kuchen, den man sich teilt“, sagte dazu jetzt Floribert Bahizire, Präsident der kongolesischen Menschenrechtsorganisation „Voix des Sans-Voix“.

So könnte Angola zusammen mit einer ihm genehmen Regierung in Kinshasa die Unita-Rebellen bekämpfen, während Ruanda und Uganda über Verbündete im Osten des Kongo die Rückzugsgebiete ihrer jeweiligen Rebellionen ausräuchern würden. Ähnlich wie bereits der Sudan würde dann der Kongo zwar auf dem Papier als geeinter Staat fortbestehen, wäre aber in der Realität in Einflußzonen geteilt. Bei Kabilas Krieg gegen Mobutu bestimmte noch die Angst vor einem Zerfall Zaires die internationalen diplomatischen Bemühungen. Heute gewinnt die Idee einer Neuaufteilung von Einflußsphären an Boden.

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