: Frankfurt–Berlin in weniger als vier Stunden
■ Der konjunkturelle Aufschwung macht sich auch bei der Bahn bemerkbar: Der Umsatz stieg ganz leicht. Neue superschnelle Bahnverbindungen machen dem Flugzeug Konkurrenz
Frankfurt (taz) – Die Deutsche Bahn AG drückt aufs Tempo: In weniger als vier Stunden schaffen die neuen ICE-Sprinter „Spree“ und „Main“ die Strecke Berlin– Frankfurt: nonstop jeweils morgens und abends. Ein „echter Anreiz“ für das Umsteigen vom Flieger auf die Bahn sei das, glaubt Bahn-Boß Johannes Ludewig. Daß die Blitzreise auf der Schiene von der Spree an den Main (und umgekehrt) ab September 1998 etwas teurer sein wird als die knapp fünfstündige Fahrt mit dem normalen ICE, verschwieg Ludewig gestern auf der Halbjahrsbilanz- Pressekonferenz seines Unternehmens nicht. Doch dafür gebe es in den Morgen-Sprintern auch Frühstück umsonst.
Ebenfalls im September nimmt die Bahn die Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover–Berlin in Betrieb. Für Reisende aus dem Ruhrgebiet oder aus Köln verkürzt sich dann die Fahrt in die Hauptstadt um eine knappe Stunde. Das müsse gefeiert werden, glaubt Ludewig (CDU): am 15. September mit dem Kanzler auf der ICE-Lok auf Wahlkampffahrt.
Danach sollen dann auch ICE wieder rollen, die nach der Katastrophe von Eschede zur Inspektion und zur Reparatur auf Eis gelegt wurden. Doch nicht alle werden wieder als Vollzüge auf die Reise geschickt: einige mit nur acht statt wie bisher zwölf Waggons. Das ist eine Lehre aus dem Unglück in Niedersachsen, bei dem im Juni ein ICE wegen Radbruchs mit dem vollen Schub aller zwölf Wagen gegen einen Brückenpfeiler gerast war. Eine andere ist die Einsicht in die Notwendigkeit permanenter Kontrollen der Fahrwerke der Hochgeschwindigkeitszüge. Deren Um- und Nachrüstung hat die Bahn AG rund 25 Millionen Mark gekostet. Dazu komme ein Umsatzausfall „von vielleicht 40 bis 45 Millionen Mark“, schätzt Ludewig.
Das alles verhagelte der Bahn AG fast die Halbjahresbilanz. Daß der Umsatz im Vergleich mit dem ersten halben Jahr 1997 dennoch um 0,3 Prozent auf 14,7 Milliarden Mark angestiegen ist, werteten Ludewig und sein Finanzvorstand Diethelm Sack als Beleg dafür, daß sich jetzt auch bei der Bahn der „konjunkturelle Aufschwung“ bemerkbar mache. Der Gewinn liegt mit 180 Millionen Mark vor Steuern allerdings knapp unter dem Vorjahreswert. Dafür machte Ludewig vor allem den Preisverfall im Gütergeschäft verantwortlich, das ab Mitte 1999 europäisiert werden soll. Die Bahn AG und die Bahn der Niederlande fusionieren dann ihre nationalen Cargo-Gesellschaften zur „Rail-Cargo-Europe“, einem „Meilenstein“ auf dem Weg zu einer zukünftigen europäischen Güterverkehrsgesellschaft, wie Ludewig anmerkte.
Der Gesellschaft DB Cargo AG unter dem Dach der ab Januar 1999 als Holding fungierenden Bahn AG wird also nur eine kurze Lebensdauer von einem halben Jahr beschieden sein. Nach der 2. Bahnreform übrigbleiben werden die Tochtergesellschaften DB Reise und Touristik AG, DB Regio AG, DB Netz AG und DB Station und Service AG. Insbesondere die letztgenannte wird sich anstrengen müssen. Denn die Menschen, die das neu eingerichtete „DB Qualitätstelefon“ anwählten (etwa 400 Anrufe pro Tag), beschwerten sich vor allem über verschmutzte Züge und Bahnhöfe. Klaus-Peter Klingelschmitt
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