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Hoppla, der King of Horror!

Drehbuchautor Jimmy Sangster plaudert beim Fantasy Filmfest über die alten Zeiten  ■ Von Oliver Rohlf

So ganz kann Jimmy Sangster den Kult-Status seiner alten Filme nicht verstehen, da ist er ganz offen. Beim diesjährigen Fantasy Filmfest haben die Veranstalter ihrer Verehrung freien Lauf gelassen und dem wichtigsten Drehbuchautoren der britischen Hammer Productions eine Retrospektive gewidmet. Und nun reist der 74jährige von Filmfest zu Filmfest, immer die Höflichkeit in Person.

Die neuen Filme kenne er nicht, bekennt Sangster, und wirklich zu interessieren scheint ihn der Trubel sowieso nicht. Er reist lieber durch die Welt oder spielt Tennis. „Gleich gehe ich ins Kino und erzähle ein bißchen von den alten Tagen“, lächelt er. „Dann gehe ich wieder raus, und der Film fängt an. Just chatting, you know?“ So etwas mag der Routinier gerne. Den Ball flach halten. Ein Star ist Sangster trotzdem. Die Horror-Thriller made by Hammer boten Mitte der 50er bis Ende der 70er einen ebenso kruden wie grellen Terror. Zusammen mit Regisseur Terence Fisher bereiteten Sangsters Drehbücher den Boden für die Karrieren von Christopher Lee und Peter Cushing. Lees Dracula war so lustbetont und aggressiv, daß es Bela Lugosi als einstigen Kino-Herrscher über Transsylvanien ratzfatz aus dem Sarg haute. Lugosis übertriebener ungarischer Akzent und die immer um Distinguiertheit bemühte Mimik wurden so zum Museumsstück der Filmgeschichte. Lee agierte respektlos und war gierig vor Verlangen. Peter Cushings Repertoire umfaßte den genauen Gegenpart zu Lees Offensivkraft. Die Rollen von Cushing waren streng puritanisch. Seine Darstellung in Frankensteins Fluch von 1957 lenkte das Augenmerk vom grausigen Monster auf den tragischen Antihelden des kriminellen Wissenschaftlers. „Ich machte aus Frankenstein das, was er war – ein Schurke. Ein Mann, der die Grenzen kannte, aber mißachtete. Das wahre Opfer war das Monster.“

Jimmy Sangster genießt es, über die alten Zeiten zu plaudern und seine Umdeutung der viktorianischen Verhältnisse zu erklären. Er hat auch gleich ein Buch mit dem Titel Do You Want It Good Or Tuesday? darüber geschrieben. „Das ist eine Redewendung vom US-Fernsehen. Sie geben dir einen Auftrag, und du fragst: Soll es gut oder Dienstag fertig sein? Natürlich ist die Antwort immer: Dienstag.“ Bei Hammer wurde ähnlich vorgegangen. Die Fließband-Arbeitsweise des Studios im englischen Bray ist schon legendär.

Ökonomische Engpässe paarten sich mit Pragmatismus. Sparsame Interieurs, kaum Statisten, null special effects, dafür volle Konzentration auf den Mimen, und – hoppla – fertig war sie, die klaustrophobische Grundstimmung. Im Laufe der Jahre verlagerte sich der Themenschwerpunkt vom gotischen Grusel zum lustlastigen Spektakel. Die Schauspielerin Ingrid Pitt etablierte sich als eine der ersten weiblichen Vampirdarstellerinnen. In Mircalla (1970) spielte sie eine offenherzige wie lesbisch ausgelegte Variante dieses Motivs. Daß Ingrid Pitt unlängst ein paar Sätze auf dem neuen Album der britischen Metaller von Cradle Of Filth eingesprochen hat, wußte Jimmy Sangster zwar nicht, aber es wundert ihn nicht im geringsten. „Sie ist eine totale Businessfrau. Und wenn es jemanden gibt, der so etwas macht, dann sie. She is a lot of fun.“

heute: Paranoiac ; morgen: The Nanny ; Donnerstag: Dracula , jeweils 16 Uhr, Cinemaxx 2

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