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Akquise im Minifummel

■ Auf der "Telemesse" umwarb das Fernsehen die Werber. Eine seltsame Veranstaltung zwischen Kaffeefahrt, Börse und Kindergeburtstag

Zuschauer sind beim Fernsehen irgendwie wichtig. Logo. Wenn auch nicht alle gleich wichtig. Rentner und Sozialhilfeempfänger weniger als Kinder, und am wichtigsten sind bekanntlich die konsumfreudigen 14- bis 49jährigen. Und dann gibt es da noch ein verschwindend kleines Grüppchen von ein paar hundert Leuten, die den Sendern die allerwichtigsten Zuschauer sind: Mediaplaner. Jene Menschen, die im Auftrag der Industrie die Werbung im Fernsehen plazieren. Und die werden natürlich heftigst umworben.

Bei der „Telemesse“ in Düsseldorf legten sich nahezu alle TV- Sender zwei Tage lang mächtig ins Zeug, um der werbetreibenden Industrie ihre künftigen Sendungen als ideales Werberahmenprogramm schmackhaft zu machen. Der Aufwand ist verständlich. Schließlich wird hier ein Kuchen von rund 14 Milliarden Mark aufgeteilt. Das ist nach Expertenschätzungen die Summe, die zumindest im laufenden Jahr die Industrie für Fernsehwerbung ausgibt.

Und im kommenden Jahr soll der Kuchen, zumindest nach den Vorstellungen der Sender, wieder ordentlich wachsen. Was kaum wahrscheinlich ist. Denn die fetten Jahre der zweistelligen Zuwachsraten sind definitiv vorbei. Stieg das Werbevolumen im ersten Halbjahr 94 gegenüber 1993 noch um satte 33 Prozent, sackte der Wert für den Vergleichszeitraum in diesem Jahr auf schlappe 8,3 Prozent. Die Gründe sind klar: Zum einen stagnieren die Marktanteile der großen Privatsender (oder sind gar rückläufig), zum anderen sind die gesetzlich zulässigen Werbeinseln so gut wie ausgebucht. Gleichzeitig sind die Programmkosten, sowohl für Eigenproduktionen als auch für Ankäufe, geradezu explodiert.

Was nichts anderes heißt, als daß die Schere zwischen Bruttoumsätzen und Nettogewinnen bei den kommerziellen Programmveranstaltern immer weiter auseinandergeht. Ergo wird es zunehmend schwieriger, defizitäre Kanäle (also bis auf RTL und Pro7 bekanntlich alle) in absehbarer Zeit noch in die Gewinnzone zu führen. Und da sich die Zuschauer seit Jahren beharrlich weigern, ihre durchschnittliche Verweildauer vor der Glotze zu erhöhen, bleibt den Sendern nur der Versuch, die sinkenden Margen durch eine Verteuerung der Werbung aufzufangen. Was bei der Kundschaft natürlich auf wenig Begeisterung stößt.

So beklagen die Mediaplaner bei nahezu allen großen Sendern eine Verschlechterung des Preis- Leistungs-Verhältnisses. Was hier jene Relation meint, die angibt, wie viele Zuschauer ein Sender mit seinem Programm dem Auftraggeber eines Werbespots gegen einen bestimmten „TausenderKontaktPreis“ (TKP), so die gängige Währung in diesem Geschäft, zuführt. Da die Werbeindustrie nicht einsieht, warum sie für dieselbe (wenn nicht geringere) Leistung mehr zahlen soll als im Vorjahr, mahnt sie die Sender zu moderaten Preiserhöhungen und droht mit Umverteilungen im Media-Mix in Richtung Printmedien.

Und während man sich etwa bei RTL mit vergleichsweise dezenten Preiserhöhungen den Kundenforderungen halbwegs beugen will, möchte das hochdefizitäre Sat.1 hier ordentlich zulangen. Wofür dann Fred Kogel, gar nicht mal schlecht, bei der Vorstellung der Programmhighlights 99, höchstselbst die Avon-Beraterin machte, während die Konkurrenz dafür vorwiegend angestellte TV-Nasen – von Johannes B. Kerner bis Rudi Carrell waren natürlich alle Schirmpromis dienstverpflichtet – vorschickte.

Aber letztlich war diese „Telemesse“ für den busineßmäßig Außenstehenden (zugelassen war neben dem Fachvolk lediglich die Presse) ohnehin eine einigermaßen seltsame Veranstaltung. Wo man im Vorfeld erwarten durfte, daß hier, wo das (Privat-)Fernsehen quasi zu sich kommt, das beinharte Geschäft unter Brancheninsidern im Vordergrund stehen würde, präsentierte sich der Umschlagplatz für TV-Milliarden eher als eine groteske Mischung aus Kaffeefahrt und Kindergeburtstag. Ob da nun das ZDF zum Torwandschießen lud, massenhaft Tüten mit Papier, Lollies und Kugelschreibern verteilt wurden oder einen beim DSF propere Mädels aufforderten, einen Basketball in irgendwelche Löcher zu plazieren – die Sender umgarnten die Profis mit exakt jenen drolligen Mitteln, mit denen auf der IFA das gemeine Volk beglückt wird.

Wie sagte das aparte Fräulein im Minifummel und mit Blondperücke in Diensten von DSF über Sinn und Zweck ihrer Aufmachung? „DSF is' halt 'n Männersender.“ Eben. Und drum saß Harry Wijnvoort auch am Stand vom TM 3, wo er demnächst irgendeine Sendung machen soll. Is' halt 'n Frauensender, dieses TM 3. Reinhard Lüke

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