Ein geselliger Killerwal

Eckhardt Rehberg ist CDU-Fraktionschef in Mecklenburg-Vorpommern und starker Mann der Partei. Er könnte der große Verlierer der Landtagswahl am 27. September werden, sollte sich die SPD danach der PDS zuwenden  ■ Von Constanze v. Bullion

Ribnitz-Damgarten (taz) – Den „Fleischer“, den „Macher“, den „heimlichen König“ nennen sie ihn. Keine Frage, der Mann ist von majestätischem Ausmaß, besonders um die Taille. Eine Halbwertszeit von wenigen Minuten hat jeder halbe Liter „Rostocker Pils“, den sich Eckhardt Rehberg in den Schlund gießt. Der Chef der mecklenburg-vorpommerschen CDU- Fraktion arbeitet sich durchs Fischerfest von Ribnitz-Damgarten, heute trinkt er für Deutschland. Ein Händedruck hier, ein Späßchen da, in vier Wochen ist Wahl. Und die könnte dem ehrgeizigen Sohn der Stadt einen deftigen Kater bescheren.

30 Abgeordnete stellt die CDU derzeit im Schweriner Landtag. SPD und PDS haben zusammen 38 Mandate. Theoretisch reicht das, um die Große Koalition abzulösen. Die hat sich durch vier glanzlose Regierungsjahre gestritten, für die Zeit nach der Landtagswahl am 27. September liebäugelt SPD-Chef Harald Ringstorff mit einem Partnerwechsel. Eifrig winkt ihm schon die PDS, zumindest will sie die SPD tolerieren dürfen. Läuft es wie in Sachsen-Anhalt, bleibt Eckhardt Rehberg auf der Strecke. Ausgerechnet.

Wo er doch so gern der Größte ist. „Mich übersieht man nicht“, verspricht der CDU-Mann, wenn man sich beim Ribnitzer Hafenrummel mit ihm verabreden will. Tatsächlich sind 1,86 Meter plus Nebelhornstimme kaum zu ignorieren. Hier an der Ost-Waterkant, auf halber Strecke zwischen Lübeck und Rügen, wurde der selbstbewußte Fischkopp vor 45 Jahren geboren, hier ist er mit Frau und Söhnen geblieben. Jeder in der Stadt kennt „den Ecki“, aber nicht alle seiner Freunde werden den CDU-Mann auch wählen. Die Dame zu seiner Linken etwa neigt zur PDS, die zur Rechten ist schwankend. Drum noch ein Pils und weitermarschiert.

Ein geselliger Killerwal ist dieser Rehberg. Einer, der den Ruf nicht los wird, Drahtzieher zahlloser Intrigen in der Schweriner CDU gewesen zu sein. Dem stürzenden Regierungschef Alfred Gomolka (CDU) gab Rehberg 1992 den entscheidenen Tritt. Und auch seinem derzeitigen Landesvater und Parteikollegen Berndt Seite stiehlt der wortgewaltige Sohn eines Schlossers gern mal die Schau.

Schließlich war er es doch, der 1996 auszog, die verlorene Ehre der Ost-CDU zu retten. „Wertepapier“ nannte sich das 34-Seiten- Werk, mit dem Rehberg sich den Rüffel seines Lebens holte. Was er sich einbilde, soll Helmut Kohl ins Telefon gebrüllt haben, als er die Ausführungen des Kollegen von der Ostsee las.

Die CDU, hatte Rehberg geschrieben, habe Mühe, „sich auf gesellschaftliche Veränderungen einzustellen“. Unbeirrt von der Wende übten sich die „westdeutschen Politikerkreise“ in „inhaltsleeren Debattenritualen“. Ohne eine gesamtdeutsche Reformdebatte und ein Forum für Ostdeutsche verzettle sich die Partei in „dogmatischem Schubladendenken“ und riskiere die Macht.

Ein Ossi war gegen den Kanzler aufgestanden, die Republik staunte. Damals hatte die Rote- Socken-Kampagne den robusten Pommer auf den Plan gerufen, heute sind es die Rote-Hände-Plakate, die ihm regelmäßige Fernsehauftritte zur Prime time sichern. Wann immer West-Hintzes Sprüche die Ostseele verletzen, richten sich die Kameras auf Eckhardt Rehberg. Und der wird nicht müde, sich als schlechtes Gewissen der CDU vorführen zu lassen. „Man darf nicht immer ja sagen“, kommentiert er wohlgefällig seine Rolle in der Partei. „Der Kohl hätte sich doch totgelacht, wenn ich eingeknickt wäre.“

Der Kohl hat sich nicht totgelacht. Er hat Rehbergs Papier zum Papierchen verkommen lassen. Nichts hat sich seither geändert, noch immer sitzt kein einziger profilierter Ostler im Bonner Konrad- Adenauer-Haus, nur die Zahl der CDU-Mitglieder in Meck-Pomm hat sich seit 1990 halbiert.

Dabei predigt Rehberg genau das Gegenteil. Der PDS müsse man die Anhänger abjagen, sie stünden konservativen Ideen nicht fern. „Gerade bei Älteren“, sagt er, „ist der starke Staat gefragt. Statt autoknackender Kinder oder ohnmächtiger Lehrer wollen sie wieder mehr Autorität. Das kommt den Werten der CDU doch am nächsten.“

Daß die Sehnsucht nach dem Vollkasko-Leben der DDR das Wahlvolk nicht nur in den Hafen der PDS führt, ist Rehberg nicht entgangen. Seit die PDS sich als Juniorpartner bei der Schweriner SPD anbiedert, fällt sie als Protestpartei für viele aus. Wer Mumm hat in Mecklenburg-Vorpommern, wählt braun. 32 Prozent der 18- bis 29jährigen können sich hier vorstellen, eine rechtsradikale Partei anzukreuzen, fand Emnid heraus. Die Zahl rechtsextremer Gewalttaten hat sich im letzten Jahr fast verdoppelt.

Sechs Jahre ist es her, daß in Rostock-Lichtenhagen die Biedermänner im Verein mit rechten Brandstiftern randalierten. Sechs Jahre auch, seit Eckhardt Rehberg im Schweriner Landtag Verständnis für ihre Sorgen äußerte. „Daß die Ausländer unsere Sitten und Gebräuche nicht kennen und vielleicht gar nicht kennen wollen“, sagte er damals, „stört die Befindlichkeit unserer Bürger.“ Er hat sein Körnchen beigetragen zu der häßlichen Saat, die in Mecklenburg aufgegangen ist.

„Arbeit zuerst für Deutsche“ fordert die NPD an den Bäumen von Ribnitz. Ralf findet das gut, obwohl hier nur drei Türken leben. Über den Tanzboden beim Fischerfest toben aufgebrezelte Mädels und Jungs mit eher wenig Haar. „Adio Mexico“ dröhnt es herüber, dabei ist Ralf noch nicht mal bis England gekommen.

1.500 Mark im Monat trägt der junge Koch nach Hause, der hier mit Freunden ein paar Bier kippt. „Diese ganze Ungerechtigkeit“ nervt ihn fast so wie „die Ausländersache“, statt CDU wird er diesmal NPD wählen. Sauer ist auch Informatiker Dirk, der letztes Mal für die SPD war. Sein Hamburger Kumpel kassiert für die gleiche Arbeit das Doppelte. „Dieses System“, meint er, „ist total verrottet.“

Und Rehberg? Der sei in Ordnung, „nicht wegen Politik, sondern wegen Hansa“. Hoch angerechnet wird es dem CDU-Mann hier, daß er dem Bundesliga-Aufsteiger Hansa Rostock vorsteht. Und daß er vor laufenden Fernsehkameras ein paar Millionen für das marode Stadion beim Ministerpräsidenten lockergemacht haben soll. Geklotzt, nicht gekleckert wird, wo Rehberg hinlangt.

Man ist stolz in Ribnitz, daß „einer von uns“ den Aufstieg geschafft hat. Als ehrgeiziger Ruderer und Dorf-DJ ist „der Ecki“ gestartet. Bei der Ausbildung zum Informatiker machte er Abitur, stieg vom katholischen Meßdiener zur Blockflöte und zum CDU- Fraktionschef auf. Nicht ohne kräftige Tritte nach rechts und links ging das. Er könne „schon mal auf den Tisch springen“, gibt Rehberg zu.

Und nun soll er in der Opposition versauern? Ausgerechnet SPD-Chef Harald Ringstorff, sein bester Feind, wird mit Hilfe der PDS womöglich Ministerpräsident? Der Mann sei doch völlig verbissen, knurrt Rehberg, „mit dem kann man nicht mal ein Bier trinken“. Vernichtender könnte sein Urteil wohl kaum ausfallen.

Demnächst wird Rehberg, der Hüne von der Waterkant, wohl die Zeche für die Ost-Misere der CDU bezahlen müssen. Und auf seine Art zu verstehen geben, wen er für den Schuldigen hält. Als der Kanzler kürzlich nach Schwerin kam, ging Rehberg gar nicht erst hin. Erstens konnte er nicht. Und zweitens war er nicht eingeladen.