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: Stadterneuerung von unten

„Wir dreh'n noch 'ne Ehrenrunde!“, hieß es früher, wenn die Demo die Hardenbergstraße rauf zum Ernst-Reuter-Platz hohohochiminhte. Nicht selten wurden dann die Scheiben des IBM- Gebäudes eingeworfen. In meiner Diasammlung habe ich unzählige Ernst-Reuter-Platz-Fotos: Die nichtdemonstrierenden Berliner knipsten dort – „am modernsten Platz der Stadt“ – immer wieder gern ihren Urlaubsfilm voll.

„Grad neulich hat mir wieder jemand gesagt, das sei der interessanteste Platz Europas, weil dort alles sechziger Jahre ist“, erzählt die Besitzerin der Pension Kettler in der Bleibtreustraße 19: Isolde Josipovici – eine in Künstler- und Politikerkreisen bekannte Charlottenburgerin. Sie sammelt nicht nur Kunst, sondern vermietet auch an Kulturschaffende (145 Mark kostet ein Einzelzimmer und 155 bis 180 Mark ein Doppelzimmer).

In ähnlicher Preislage gibt es an Künstlerpensionen sonst noch das „Nürnberger Eck“ von zwei Kunsthistorikerinnen und die Edelfederabsteige von Modrows Schwiegersohn, sowie das vom Fluxus-Ruhm zehrende Ku'damm-Hotel des Künstlervideogaleristen Mike Steiner.

Zurück zu Isolde: Zwar hält sie den Ernst-Reuter-Platz für nicht besonders gelungen, aber zum einen hat sie seit 1995 bereits 50 Berliner Brunnen wieder zum Sprudeln gebracht, und zum anderen mißfiel ihr der Verfall des Ernst-Reuter-Platzes ganz besonders: „Nach der Love Parade 97 wurde der vollends zum Müllplatz und die Kacheln fielen ab.“ Frau Josipovici sammelte die Kacheln und ließ sie von Künstlern bemalen bzw. zu Skulpturen verarbeiten. Als der Platz entsorgt werden sollte, stellte Alba ihr einen Container für die restlichen Kacheln hin.

Die bisher bemalten 500 wurden während der „Langen Museumsnacht“ am vergangenen Wochenende versteigert, mit Unterstützung der Kulturamtsleiterin des Bezirks. Das Geld ist für die Renovierung des Ernst-Reuter- Platz-Brunnens, die mit 3,5 Millionen Mark veranschlagt wurde. Frau Josipovici gewann dafür Bausenator Kleemann (1,5 Mio.) und die Essener Tochter der Berliner Wasserbetriebe (1,5 Mio.). Vor allem aber gewann sie Edzard Reuter, der den Platz-Verantwortlichen schriftlich mit Vaternamens-Entzug drohte, sowie die Presse, insbesondere die Morgenpost, und Pieroth, Landowsky etc. Auch der Sohn des Platz-Architekten Düttmann und die Karl-Hofer-Gesellschaft sind mit im Spiel.

Am Ende soll ein „Skulpturengarten“ dabei rauskommen, der nachts beleuchtet wird. „Denn das mit der Beleuchtung ist ja eine Katastrophe geworden“, so Frau Josipovici. „Der Schönbohm hat gesagt: ,Wir wollen hier nicht Klein-Istanbul haben.‘ Ich wäre schon froh, wenn wir nur ein bißchen Istanbul hätten. Ich war grad wieder dort. Das ist ja eine wahre Märchenstadt – nachts!“ Daß der CDU-Innensenator die Stadt langsam, aber sicher nur noch mit Blaulicht erhellen will, mißfällt der engagierten Stadtverschönerin von unten.

Aber auch mit einigen Sozialdemokraten steht sie regelrecht auf Kriegsfuß. Von der Charlottenburger SPD-Bürgermeisterin Monika Wissel bekam sie beispielsweise zu hören: „Lassen Sie endlich die Finger vom Ernst- Reuter-Platz, kümmern Sie sich um andere Brunnen!“ Frau Josipovici antwortete ihr: „Ich mache das alles ehrenamtlich, und wenn ich das schon so mache, dann will ich mir auch den Gegenstand aussuchen.“ Die Charlottenburger Baustadträtin Beate Profé (Grüne) verlangte von ihr sodann, den Kachel-Container am Platz wegzunehmen. Der Pressesprecherin des Bausenators gelang es zwar, dies abzuwenden, deren für die Platzrenovierung nun zuständige Abteilung beschlagnahmte ihn jedoch anschließend – mit der Begründung: Die Kacheln würden noch gebraucht! Frau Josipovici reagierte nicht: „Sollen die sich doch mit Alba in Verbindung setzen.“ Sie selbst setzte sich inzwischen mit Klaus Böger von der SPD in Verbindung – und riet ihm, „sich dafür einzusetzen, daß der Senat die Betriebskosten für alle 550 Berliner Brunnen von den Bezirken übernimmt – anstrahlt, plätschern läßt und sauber hält“. Helmut Höge