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Grundwasser unterspült Bahnplanung

■ Durch den Wassereinbruch in den U-Bahn-Tunnel nördlich des Lehrter Bahnhofs könnten sich die gesamten Arbeiten für die Bahnverbindungen im Zentrum verzögern. Bau der Fernbahn ist abhängig von Reparatur d

Ein weiterer Unfall bei den Tunnelbauarbeiten in Tiergarten könnte das gesamte Projekt der neuen Eisenbahnverbindung zusätzlich verzögern. Am Dienstag Abend war Grundwasser in die 20 Meter tiefe Baugrube für den Tunnel der zukünftigen U-Bahn-Linie 5 eingedrungen. Der Betonkanal mußte geflutet werden und steht nun komplett unter Wasser. „Der U-Bahn-Tunnel muß fertig sein, bevor wir den Tunnel für die Fernbahn errichten können“, sagte gestern Hans-Peter Haller, stellvertretender Projektleiter für den Abschnitt nördlich des Lehrter Bahnhofs, wo der neue Zentralbahnhof entsteht. Möglicherweise bringt also der U-Bahn-Unfall den ganzen Zeitplan für die Nord-Süd- Strecke der Eisenbahn durcheinander.

Der abgesoffene U-Bahn-Tunnel westlich der Heidestraße in Moabit wird zwar nur auf Vorrat gebaut, weil wegen Geldmangels völlig in den Sternen steht, wann die Linie in Betrieb geht. Trotzdem ist das Bauwerk wichtig für das Gesamtprojekt der Bahn im zentralen Bereich: Der U-Bahn- Tunnel liegt am tiefsten in der Erde. Wenige Meter darüber – ebenfalls unterirdisch – soll die Fernbahntrasse die U-Bahn kreuzen: ohne fertigen U-Bahn-Tunnel also keine Eisenbahnstrecke.

Mitte 1999 wollen die Baufirmen dort eigentlich mit der Fernbahntrasse beginnen. Ob dieser Zeitplan nun einzuhalten ist, weiß augenblicklich niemand. „Gegen Ende der Woche“, hofft Claudia Ruttmann von der Deutschen Bahn, wisse man Näheres über die Ursachen des Grundwassereinbruchs. Gestern waren Taucher dabei, das Leck in 20 Meter Tiefe erst einmal zu inspizieren. Trotzdem schloß Ruttmann kategorisch aus, daß die Arbeiten an der Eisenbahnverbindung sich verzögern könnten.

Während nun auch am nördlichen Ende der gigantischen Röhren unter dem Tiergarten die Bauarbeiten auf Schwierigkeiten stoßen, liegt die Tunnelbuddelei am südlichen Ende schon seit geraumer Zeit brach. Im Sommer 1997 war dort ebenfalls Grundwasser eingedrungen. Ursprünglich wollte die Bahn bereits nach sechs Wochen weiterbauen. Mittlerweile ist jedoch mehr als ein Jahr vergangen, ohne daß die Tunnelröhre weitergebohrt worden wäre. Denn die Gutachter sind sich noch nicht im klaren über das richtige Verfahren, das südliche Leck abzudichten.

Bevor man den Wassereinbruch am Dienstag bemerkte, hatte die Arbeitsgemeinschaft aus drei deutschen Baufirmen und einem französischen Unternehmen den oben offenen U-Bahn-Tunnel bereits an die Ausbaubetriebe übergeben. Vermutlich drückte das Grundwasser jedoch zwischen der Betonsohle und den betonierten Seitenwänden hindurch.

„Wir haben keine Erklärung für das Leck“, sagte einer der Ingenieure. Am Boden der Röhre übt das Grundwasser von unten einen Druck von 20 Tonnen pro Quadratmeter auf das Bauwerk aus. Damit die gewaltige Kraft des hereinströmenden Wassers die Betonwände nicht zerfetzt, ließ die Projektleitung die Röhre fluten. Jetzt schwimmen die Holzbretter, die für den Innenausbau gedacht waren, auf dem künstlichen Kanal. Und das Grundwasser steht wieder da, wo es normalerweise ist: drei Meter unter Straßeniveau. Hannes Koch

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