: Etwas lebendige Elbe
■ Dem Verlagskonzern Gruner+Jahr fehlen im Inland die Ideen. Dennoch wächst das Geschäft – vor allem im Ausland
So ist das: Wenn man nicht richtig aufpaßt, schleichen sich Widersprüche ein. Da erzählt erst Gruner+Jahr-Vorstandschef Gerd Schutle-Hillen von den ganzen „innovativen Bemühungen“ des zum Bertelsmann-Konzern zählenden größten Verlagshauses, um klar zu machen, daß der Laden keineswegs von gestern ist, wie in der Branche geunkt wird. Und Zeitschriftenvorstand Rolf Wickmann springt ihm zur Seite, indem er Investitionssummen nennt: „Wenn Sie das mal mit anderen Verlagen vergleichen, die immer den Titel innovativ tragen, dann stehen wir gut da.“
Aber wenn dann der Verlagschef wieder stolz vor seiner nach oben steigenden Renditekurve sitzt, klingt es wieder ganz anders und kommt der Wahrheit deutlich näher: Man habe eben in den letzten Jahren „mehr konsolidiert, als neue Projekte angeworfen“. In Zahlen ausgedrückt: Werden sonst in einem Geschäftsjahr bei G + J bis 90 Millionen Mark in Innovationen gesteckt, so lag der Wert im eben abgeschlossenen Geschäftsjahr 1997/98 bei unter 40 Millionen. Die Übersicht mit den Neueinführungen von G + J- Zeitschriften kommt dann auch mit viel Weißraum aus. Außer einigen Ablegern etablierter Blätter (wie Konrad vom Stern) und dem vorsichtig lancierten Wirtschaftstitel Bizz ist da nur das gefloppte Lifestyle-Blatt XX Living, über das es nur noch kleinlaut heißt, man müsse nun „entscheiden, wie es weitergeht“. Den „jungen, gebildeten Zielgruppen“, von denen bei G + J dauernd geredet wird, steht man mit derlei ferner denn je. Hausintern ging gar die Angst um, XX Living sei rufschädigend.
Die Geschäftsdaten entsprechen weitgehend dem öden Bild. Umsatzsteigerungen erwirtschaftet das Haus weiterhin vor allem im Ausland, allerdings auch weniger erfolgreich als früher. Der Gesamtumsatz wächst munter um knapp sieben Prozent (auf 5,1 Milliarden Mark), das Betriebsergebnis, Erlöse, Rendite: Alles schön nach oben, allerdings weniger als in den letzten Jahren. Wie man das macht, davon verstehen Bertelsmann-Manager etwas.
So wie Bernd Kundrun, der demnächst Schulte-Hillen nachfolgen dürfte, wenn dieser 60 wird und sich vielleicht mehr seinen politisch korrekten Lieblingsprojekten wie „lebendige Elbe“ zuwenden darf.
Kundrun, der für die G + J-Zeitungen zuständig ist, freut sich riesig, daß bei der Berliner Zeitung mal die Investition in journalistische Inhalte Anerkennung – wenn auch bislang kaum Leser – brachte. Jetzt sollen sogar noch zwei zusätzliche Lokal- und Wirtschaftsseiten dazukommen. Schon vor kurzem kündigte der Verlag an, das Blatt werde nun außerhalb der Hauptstadt-Region stärker vertrieben. Gleichzeitig machte Zeitungs-Manager Kundrun deutlich, daß beim defizitären Boulevardblattder, der Hamburger Morgenpost, demnächst mit voller Kraft das Gegenteil angesagt ist: „Abschmelzungsprozeß“, „Rationalisierung“. Und bei „dauerhaften Verlusten“ müsse man sicher auch irgendwann „die Existenzfrage stellen“. Lutz Meier
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