Wo Wale hohe Wellen schlagen

Schleppnetze, Schwermetalle und der starke Schiffsverkehr gefährden Delphine und Wale im Mittelmeer. Der WWF fordert ein internationales Schutzgebiet  ■ Aus Genua Paula Carega

Das beste Mittel gegen Seekrankheit ist, den Kopf für zwanzig Sekunden in einen Eimer kaltes Wasser zu tauchen, sagt der Kapitän. Das beruhige das gestörte Gleichgewichtszentrum im Innenohr. Doch die acht Passagiere der „Phisalie“ versuchen, ihre revoltierenden Mägen zu ignorieren und fixieren den Horizont – in der Hoffnung, eine Rückenflosse oder gar eine Fontäne zu entdecken.

Die Region um den Golf von Genua weist die meisten Wale und Delphine im Mittelmeerraum auf. Ein hoher Planktongehalt, der durch rege Wasserzirkulation verursacht ist, sowie günstige Strömungen schaffen gute Bedingungen für die 18 verschiedenen Delphin- und Walarten. „Im Sommer tummeln sich hier etwa 45.000 Delphine und 2.000 Wale“, sagt der Meeresbiologe Paolo Giuglielmi.

Die Meeressäuger sind jedoch bedroht. Schwermetalle und Pestizide aus Industrie und Landwirtschaft, die über die Zuflüsse ins Mittelmeer gelangen, reichern sich im Fettgewebe der Tiere an und schwächen das Immunsystem oder ihre Fortpflanzungsfähigkeit. Und immer wieder kommt es vor, daß sich Wale oder Delphine in Schleppnetzen verfangen und nicht mehr befreien können. Der starke Schiffsverkehr, die zahlreichen Motorboote im Sommer und der ausufernde „Whalewatch- Tourismus“ stören die Tiere. Der WWF International kämpft deshalb seit bald zehn Jahren im Rahmen seiner Mittelmeerkampagne um ein Schutzgebiet für Meeressäuger in einem Dreieck, dessen Grenze vom Nordwestzipfel Sardiniens nach Toulon, dann entlang der provenzalischen und ligurischen Küste bis nach Grosseto und Sardinien verläuft. Das eigentliche Schutzgebiet würde sich fast vollständig in internationalen Gewässern befinden. Aber bis heute sperren sich die italienische, französische und monegassische Regierung.

„Es ist unglaublich, wie wenig Willen Italiens Regierung bis heute gezeigt hat, etwas für den Schutz dieser Meeressäuger zu tun“, kritisiert Alessandra Poggiani vom WWF. Die zuständigen Ministerien verzögerten die Verhandlungen schon seit Jahren. Zwar hat Italien 1991 das Fischen mit Schleppnetzen untersagt, doch Nachbar Frankreich ist nie nachgezogen. Andere Schutzmaßnahmen gibt es in diesem Gebiet nicht.

1998 könnte sich dies ändern: „Wir sind unserem Ziel ein großes Stück nähergekommen“, meint Poggiani. Ende Juni hat die Umweltkommission des italienischen Parlaments grünes Licht für ein Naturreservat im Mittelmeer gegeben. Das Umweltministerium will zudem versuchen, Frankreich und Monaco für eine Erweiterung des Walparks zu gewinnen. Während die größte Fischereiorganisation Italiens einem Schutzgebiet postiv gegenübersteht, sind es vor allem korsische und provenzalische Fischer, die das daraus folgende vollständige Verbot der Treibnetze nicht mitmachen wollen. Auch „Whalewatching“, das im Mittelmeerraum als Touristenattraktion immer beliebter wird, würde strenger kontrolliert. Untersagt wären Sportbootrennen vor den Küsten.

„Delphine, ich sehe Delphine“, ruft der Meeresbiologe Guglielmi. Zuerst sind alle skeptisch – zu oft haben sich vermeintliche Rückenflossen als banale Wellenkämme entpuppt. Doch schon sind die hellgrau schimmernden Leiber auszumachen. Eine Gruppe von etwa 15 Tieren stattet der „Phisalie“ einen Besuch ab. Sie lassen sich von den Bugwellen mittragen, jagen einander unter dem Schiffsrumpf hindurch und beeindrucken mit blitzschnellen Wendemanövern. Solange das Segelboot unbeirrt Kurs hält, folgen die Delphine, verlieren aber prompt das Interesse, als der Kapitän den Motor drosselt. Das sei typisch, meint Guglielmi. „Delphine treiben ihren Schabernack, solange das Boot genügend schnell fährt.“ Um die weniger verspielten Wale aufzuspüren, müsse man hingegen Glück und Geduld haben. Ohnehin sei wenig über die Gewohnheiten und das Verhalten der im Mittelmeer vorkommenden Wale bekannt. Untersuchungen hätten gezeigt, daß es sich wahrscheinlich um eine endemische Art handle. So unterscheide sich ihr Erbgut von demjenigen der im Atlantik vorkommenden Individuen.

Der WWF steht mit seiner Forderung nach einem mediterranen Schutzgebiet für Wale und Delphine nicht alleine. Lokale Umweltschutzorganisationen, aber auch die internationale Vereinigung der Ozeanschwimmer, haben sich ihm angeschlossen. Der Slowene Martin Strel etwa, der den Weltrekord im Distanzschwimmen über 162,5 Kilometer hält, tritt diesen Sommer als Botschafter für die Meeressäuger in Aktion. Der WWF veranstaltet zudem Ende Juli eine Segelregatta und wirbt im Rahmen der Expo in Lissabon für den Walpark. Poggiani: „Wir werden den Druck auf die Regierungen weiter verstärken, damit das erste internationale Schutzgebiet im Mittelmeer endlich realisiert wird.“