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„Alte Gurken“ zum Lernen?

■ Umstritten: Bremer Sparkasse will den Schulen im Land ausgemusterte PC's schenken

Zwei Seelen, ach, rütteln dieser Tage in so mancher armen Bremer Lehrerbrust, die sich um den Eintritt ihrer Schützlinge ins Informationszeitalter sorgt. Wenige Tage vor Beginn der Schulferien nämlich kam aus der Bildungsbehörde ein Angebot auf den Tisch der Schulleitungen geflattert, berichten die Lehrer: Über tausend Personalcomputer zum Nulltarif aus den Beständen der Bremer Sparkasse! Doch so mancher Bremer Informatik-Pauker bedenkt nun, ob der geschenkte Sparkassen-Gaul nicht etwas aus dem Maul stinkt.

Denn es war wohl weniger das große Herz für Deutschlands digitale Jahrtausendwende, das die Sparkasse zu ihrer Spende veranlaßte – haben doch die Geräte (der 486er–Generation) allesamt ihre Dienstjahre in den Bank-Filialen schon hinter sich gebracht. „Sechs Geräte habe ich trotzdem erstmal reserviert“, gesteht ein Lehrer vom Waller Schulzentrum – wenn auch mit Bauchgrimmen. Er sieht schon die Gesichter seiner Schüler vor sich, wenn die sich vor „die alten Gurken“ setzen sollen: „Von Zuhause sind die doch viel Besseres gewohnt.“ Andererseits müsse man dankbar über jeden PC sein, der in die Schulen findet. Denn immerhin: Textverarbeitung sei mit den Geräten wohl noch möglich, Tabellenkalkulation auch und – „mit ziemlich viel Wartungsaufwand“ – auch der Internetzugang. Dem Waller Lehrer geht es da wie vielen anderen seiner Kollegen, die in der Lehrer-Mail-Box am Wissenschaftlichen Institut für Schulpraxis (WIS) vehement das Für und Wider solcher Geschenke diskutieren. Und auch in der Landesbildstelle, in der das Geschenk schultauglich gemacht werden soll, ist man zurückhaltend: „Die Nettigkeit hält sich in Grenzen“, so Mitarbeiter Volkmar Ahrens von der informationstechnischen Bildungsstelle (ITB).

In einem nämlich sind sich die Lehrer und Behördenmitarbeiter einig: Für die Bremer Sparkasse könnte die Angelegenheit ein echtes Schnäppchen sein. Kassiert diese doch nicht nur einen kräftigen Imagegewinn. Gleichzeitig soll es aus dem Hause des Finanzsenators eine Spendenbescheinigung über 250.000 Mark geben – und die Entsorgungskosten von rund 50.000 Mark für die 1.000 Geräte könnte das plietsche Geldinstitut so auch noch sparen, wird gemutmaßt. Eine runde Sache, zu der sich der Sprecher der Sparkasse in Bremer, Lothar Fehsenfeld, gestern nicht äußern wollte: „Wir werden die PC's spenden“, aber auf welcheArt und Weise, das stünde noch nicht fest: Dies werde man zu gegebener Zeit mit der Bildungsbehörde bekannt geben. „Im September“,präzisierte der Sprecher von Senatorin Kahrs.

Mit den Haken und Ösen der Geschichte haben hingegen die Schulen zu kämpfen. Natürlich sei man hier über jede Art von Sponsoring hocherfreut, wird immer wieder betont. Nur müsse man sich doch fragen, ob es sinnvoll sei, das Geschenk anzunehmen – oder ob das Geld auf der hohen Bank nicht besser angelegt sei: Für einen künftigen, vernünftigen Einstieg in die Multimedia-Epoche. Denn von den Sparkassen „kommen nur die nackten Kisten“, so der Lehrer einer Bremer Erwachsenenschule: „Für Monitore, Kabel oder Diskettenlaufwerk müssen die Schulen selbst zahlen.“ 250 Mark, so auch Volkmar Ahrens, müßten die Schulen wohl pro Gerät auf den Tisch legen. Man sei zur Zeit auf der Suche nach weiteren Sponsoren, um bei der Präsentation der Spende ein Gesamtpaket vorzuweisen, erklärte dazu gestern der Sprecher der Sparkasse. Unter diesen Umständen, so der Mitarbeiter der Landesbildstelle, könnten ältere Schüler mit den Geräten sicher noch etwas anfangen, wenn das auch nicht als der Einstieg in das von Bildungssenatorin angekündigte Multimedia-Zeitalter an den Schulen mißverstanden werden dürfte. Es gebe in den Geräten weder ein CD-Rom-Laufwerk noch die Möglichkeit der Bildbearbeitung.

Jetzt müssen die Computer, die in den Sparkassen noch auf Windows 3.1 liefen, sowieso erstmal in den Knast, heißt es aus der Landesbildstelle. Damit die Strafgefangenen in Oslebshausen die neue Software dort zum Laufen bringen. ritz

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