Waffeninspekteur im Irak gibt auf

Der umstrittene US-Amerikaner Scott Ritter wirft UN-Generalsekretär Kofi Annan und den USA vor, sich den Bedingungen von Saddam Hussein zu beugen  ■ Aus Genf Andreas Zumach

Scott Ritter, ranghöchster US- Amerikaner unter den UN-Waffeninspekteuren im Irak, ist am Mittwoch abend unter scharfer Kritik am Doppelspiel seiner eigenen Regierung und der UNO zurückgetreten. Zugleich wurde bekannt, daß die Clinton-Administration mindestens sechsmal seit November letzten Jahres versucht hat, bereits angesetzte Überraschungsinspektionen zu verhindern oder der Regierung in Bagdad mißliebige Inspekteure auszuwechseln. In fünf Fällen gab der Chef der UN-Sonderkommission im Irak (Unscom), der Australier Richard Butler, den Pressionen aus Washington nach. In UN-Kreisen wird jetzt der Rücktritt des Unscom-Chefs und ein völliger Zusammenbruch der Überwachungsmaßnahmen im Irak nicht mehr ausgeschlossen.

„Ungehinderter, sofortiger Zugang zu allen verdächtigen Einrichtungen ist die Grundvoraussetzung für jede effektive Inspektion“, betonte Ritter in seinem Rücktrittsschreiben. „Leider teilen die USA und der Sicherheitsrat diese Meinung nicht mehr.“ Ohne unangemeldete Inspektionen würde jede Rüstungskontrolle „zur Illusion“. Der 37jährige ehemalige Marine-Infanterist war während des Kriegs um Kuwait Anfang 1991 Aufklärungsoffizier des Pentagon. Danach übernahm er kurz nach Gründung der Unscom die Leitung des Teams, das für die Aufdeckung irakischer Versuche, Waffen und Rüstungsprogramme zu vertuschen, zuständig ist.

Den USA und der UNO warf Ritter nun „Kapitulation“ vor Bagdad vor. Denn: „Die Entscheidung des Sicherheitsrats, die Weigerung Iraks zur weiteren Zusammenarbeit mit der Unscom herunterzuspielen“, lege den Schluß nahe, daß die Organisation nicht länger willens oder in der Lage ist, ihre eigenen Beschlüsse durchzusetzen.“ Wesentlich verantwortlich für die abwartende Haltung des Rates in der aktuellen Irakkrise seien die USA.

Am 7. August – zwei Tage nach dem Beschluß aus Bagdad, die Kooperation mit der Unscom einzustellen – hatte US-Außenministerin Madeleine Albright Unscom- Chef Butler telefonisch ersucht, bereits angesetzte Überraschungsinspektionen wieder abzublasen. Einen entsprechenden Bericht der Washington Post hatte Albright dementiert und erklärt, die US- Regierung beharre auf ihrer Forderung nach „umfassenden Inspektionen ohne jegliche Einschränkung“. Gestern überführte die gleiche Zeitung Albright der Lüge. Bereits während der letzten Kontroverse über die Tätigkeit der UNO-Inspekteure zwischen November 1997 und Februar dieses Jahres, als die USA und Großbritannien eine große Streitmacht am Golf stationierten, Bagdad mit Militärschlägen drohten und nach außen eine kompromißlose Linie an den Tag legten, veranlaßten Albright und der damalige UNO- Botschafter Bill Richardson Unscom-Chef Butler mehrfach dazu, geplante Inspektionen abzusagen oder von Bagdad abgelehnte Inspekteure auszuwechseln. Hauptzielscheibe der irakischen Kritik war damals Ritter. Bagdad warf ihm Spionage im Dienste der USA vor.

Mit ähnlichen Vorwürfen versuchte Iraks Staatsführung in den letzten sieben Jahren, auch die Absetzung anderer UNO-Inspekteure durchzusetzen. Eine Kampagne richtete sich gegen Nikita Smidowitsch. Der russische Chemiewaffenexperte und ehemalige UNO-Abrüstungsdiplomat ist seit 1992 Mitglied der Unscom. Kommentar Seite 12