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Taktstock als Tennisschläger

■ Klassik, überhaupt nicht klassisch: Der Finne Esa-Pekka Salonen dirigierte in der Musikhalle

US-Orchester sind anders. Zu Beginn des Los-Angeles-Philharmonie-Konzerts beispielsweise erwartete alles den Star des Abends. Aber der Herr, der aus dem Künstlerzimmer kam, hatte eine Geige in denHänden. Der Konzertmeister. Erst dann folgte Esa-Pecka Salonen, einer der wenigen jüngeren Dirigenten, die heute noch Orte wie die Musikhalle füllen. Er ist mittlerweile 40. Aber er sieht immer noch aus wie 17, braune Tolle und Pausbäckchen, aber geschmeidig-kräftige Bewegungen, nachdem er den Taktstock in Bewegung gesetzt hat, irgendetwas zwischen Torero und Tennisstar (Super-Aufschlag).

Es beginnt mit Schönbergs Fünf Orchesterstücken op. 16, die man mit so einem Riesenorchester, demselben, das nach der Pause Bruckner spielen wird, noch nicht gehört hat. Die exaltierten Farbwechsel und überdrehten Instrumentationskunst-Stücke kommen gut, wenn auch etwas undeutlich. Salonen konzentriert sich auf Klangbalance und Dynamik. Nach 25 Minuten geht es in die Pause. Danach kann er seine Freude an Balance und Steigerungen voll ausleben. Bruckner ist wie geschaffen dafür. Wie Salonen zum Beispiel im Kopfsatz der Vierten, im zweiten Thema, sämtliche Streicher hören läßt, die Celli deutlich genug, daß man merken kann, wie schön das ist, was sie hier spielen; wie er den Hörer sensibilisiert dafür, daß Bruckner bei der Komposition der Vierten offensichtlich nicht nur viel Spaß gehabt hat an Quinten, sondern auch an Hörnern – das alles läßt ahnen, warum der Finne so wohlgelitten ist beim Publikum diesseits und jenseits des großen Wassers.

Nicht so sehr, daß ein Orchester bis in Einzelheiten perfekt ist, ist offenbar nötig für den Jubel der Leute am Schluß. Der Mann am Pult muß es nur fertigbringen, den Eindruck zu erwecken, als seien sie perfekt gewesen. Esa-Pekka Salonen kann das so gut, daß es am Ende unwichtig ist, ob sie wirklich perfekt waren.

Stefan Siegert

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