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Hinten kommt (fast) nur Luft raus

Jules Vernes Vision wird wahr: Wasser als Kohle der Zukunft. In Hamburg öffnet die weltweit erste öffentliche Wasserstofftankstelle / Mit Wasserstoff experimentieren Ingenieure schon lange – Hamburger Wasserstoff-Fans wollen endlich einen Pflock einschlagen und eine kleine Flotte durch die Stadt düsen lassen – fast abgasfrei  ■ Von Christine Holch

Schon der Science-Fiction-Autor Jules Verne hatte diese Vision: Wasser, genauer: der Bestandtteil Wasserstoff, sei die Kohle der Zukunft. Zwar folgte ersteinmal das Jahrhundert des Erdöls, doch experimentierten immer wieder IngenieurInnen mit Wasserstoff. In Hamburg scheint nun der Traum vom schadstofffreien Treibstoff wahr zu werden: Auf dem Gelände der Hamburger Gaswerke am Ausschläger Elbdeich in Tiefstack soll in wenigen Wochen die erste öffentlich zugängliche Wasserstofftankstelle der Welt eröffnen. Eine Flotte von sechs umgebauten Mercedes-Sprintern, die im Stadtverkehr eingesetzt werden, wird dort tanken. Initiator des Projekts ist die Wasserstoff-Gesellschaft Hamburg, ein gemeinnütziger Verein von Wasserstoff-Fans.

„Wir wollen im Langzeittest demonstrieren, daß Wasserstoff eine Alternative ist“, sagt der Ingenieur Thomas Breitkreuz, der das Projekt managt. Von all den früheren, durchaus erfolgreichen Versuchen, etwa bei Mercedes in den 80ern, sei ja nichts geblieben. „Da gab es einen Bericht. Und das war's dann“, sagt Breitkreuz. „Wir aber wollen einen Pflock einschlagen und wenigstens in Hamburg mit der Tankstelleninfrastruktur beginnen.“ Übrigens ohne öffentliche Mittel. Sozusagen handgeschnitzt sei das Projekt und nur mit einer Million Mark ausgestattet, also überhaupt nicht zu vergleichen mit der Entwicklungsarbeit in der Autoindustrie. Aber man will ja auch nicht neue, hochfeine Motoren für die Zukunft entwickeln, sondern schon heute mit dem Einsatz von Wasserstoff beginnen. Und dabei auch seine Alltagstauglichkeit beweisen. Also kommt kein weiterer Prototyp auf die Straße, sondern gleich eine ganze Flotte. Und hinterm Steuer sitzen keine Diplomingenieure, sondern ganz normale Leute.

Sechs Hamburger Firmen haben sich von der Idee überzeugen lassen, darunter der Hermes Versand Service, der für den Otto-Versand Konfektion fährt, die Fachspedition Hoyer, die Hamburgischen Electricitäts-Werke und die Hamburger Hochbahn AG. Insgesamt arbeiten 13 Firmen am Projekt mit: Der TÜV Nord etwa besorgt die Musterzulassung, die Mannesman Demag AG stellt die Tankstelle, und die Fahrzeugwerkstätten Falkenried GmbH bauen die Sprinter um auf den Betrieb mit komprimiertem, gasförmigen Wasserstoff – angeleitet von einer amerikanischen Spezialfirma. Diese Firma, Hydrogen Components (HCI), hat ein Verfahren zur „konstanten Volumenaufbereitung“ entwickelt: Wasserstoff und Umgebungsluft werden so gemischt, daß es nicht zu Rückzündungen oder vorzeitigen Explosionen kommt.

Wird der Wasserstoff dann in den Viertakt-Motoren entzündet, entsteht kein Gramm Kohlendioxid. Allerdings, wie bei jedem Verbrennungsmotor, Stickstoff (Stickoxide verursachen Smog). Aber mit etwa einem Gramm pro Kilowattstunde liege man weit unter der kommenden Euro-3-Norm von fünf Gramm, sagt Thomas Breitkreuz. Ansonsten kommt hinten nur Wasserdampf raus.

Technisch scheint alles gelöst. Nur woher nehmen die Hamburger den Wasserstoff? H2 ist zwar das häufigste Element des Universums, kommt in der Natur aber nicht einzeln vor, sondern nur in gebundener Form wie etwa im Wasser. Klassisches Verfahren zur Wasserstoffgewinnung ist die Elektrolyse: Dabei wird Wasser getrennt in Sauerstoff und Wasserstoff. Allerdings braucht man für die Elektrolyse Strom.

Ökologischen Sinn macht die Wasserspalterei also nur dann, wenn die Energie dafür aus einer erneuerbaren Quelle stammt. Die Hamburger schauten über den Tellerrand und entdeckten Island, das mit Wasserkraft reichlich gesegnet ist. Die Isländer werden für die Hamburger Wasserstoff produzieren, der dann in Tankschiffen in den Elbhafen gefahren wird. Diese vollständig regenerative Kette im Verkehrssektor sei ein Novum, sagt Breitkreuz. Nur in der allerersten Phase, etwa bis Jahresende, kommt der Wasserstoff als Abfallprodukt aus der Chlorindustrie.

Alles schön und gut, aber ist das Ganze auch praktisch? In einer Ecke der riesigen Hallen der Falkenrieder Fahrzeugwerkstätten GmbH in Hamburg steht bereits der erste umgebaute Sprinter mit drei Gasflaschen hinterm Fahrersitz. Klein sind die Flaschen nicht ge= rade: Jede hat einen Durchmesser von 35 Zentimetern, die Nutzlast verringert sich um etwa 300 Kilogramm. Und wie weit kommen diese Fahrzeuge? Auf jeden Fall weiter als mit Elektro-Antrieb, meinen die Hamburger, nämlich rund 150 Kilometer – für den Einsatz als Lieferfahrzeuge in der Stadt reiche das locker.

Einen deutlichen Nachteil allerdings haben die umgerüsteten Motoren: Mit der Beschleunigung ist es nicht so weit her. „Aber wir fahren auch extra im Sparbetrieb, um die Stickstoffwerte möglichst gering zu halten“, sagt Breitkreuz. Eventuell werde man noch Turbolader einbauen. Künftige Nutzer, die jederzeit noch beim Projekt mitmachen können, interessieren natürlich die Kosten: Derzeit fallen bei einem Verbrauch von 10 bis 12 Litern Benzinäquivalent etwa 21 Mark pro 100 Kilometer an. Doch mit der Verbreitung von Wasserstoffahrzeugen werde der Wasserstoffpreis auf jeden Fall drastisch sinken, etwa auf Benzinniveau, sagt Ulrich Schmidtchen vom Vorstand des Deutschen Wasserstoffverbandes in Berlin (DWV).

Bleibt die Frage nach der Sicherheit. Wie war das doch gleich mit dem Luftschiff Hindenburg, das 1937 vom Himmel fiel? Daran sei aber nicht der Wasserstoff schuld gewesen, sagt der DWV. Vielmehr sei der Zeppelin in gewittrige Spannungen geraten. Der Wasserstoff brannte mit „kalter“ Flamme , das Schiff sank zu Boden, wo die Passagiere, die nicht in Panik geraten waren, fliehen konnten. Wäre das Luftschiff explodiert, wie es ein Flugzeug mit normalem Treibstoff getan hätte, hätte es gar keine Überlebenden gegeben. „Ich persönlich jedenfalls würde lieber mit Wasserstoff fahren als mit einer Benzinbombe, die wunderschön klebt und brennt“, meint der Ingenieur Breitkreuz.

Die Sicherheit des Wasserstoffautos scheint auch der Münchner Flughafen nicht anzuzweifeln. Dort soll noch in diesem Jahr ein ähnliches Projekt starten. Auf dem Flughafengelände will das Bayerische Wirtschaftsministerium zusammen mit 13 Industrieunternehmen eine öffentliche Wasserstofftankstelle installieren, an der dann zum Beispiel Flughafen-Vorfeldbusse von MAN und Neoplan und Pkws von BMW tanken.

Kritisch beäugt werden die Münchner und Hamburger Wasserstoffans allerdings von Daimler-Benz. Der Autokonzern setzt auf eine andere Lösung für das Abgasproblem: auf die Brennstoffzelle. In der Brennstoffzelle wird Wasserstoff nicht verbrannt, sondern wieder mit Sauerstoff zusammengeführt. Dabei wird Energie frei, die einen Elektromotor antreibt – absolut schadstofffrei. „Aber das sind vergoldete Basteleien, viel zu teuer“, urteilt Thomas Breitkreuz vom Hamburger Wasserstoff-Projekt. Den Preis treibt vor allem das Platin für den Katalysator im Inneren der Brennstoffzelle in die Höhe. Etwa 500 Gramm werden benötigt. Und noch stammt das edelste aller Edelmetalle vorwiegend aus Südafrika und Rußland. Die russischen Platinfabriken gelten als die größten Schwefelschleudern der Welt. Dort findet fast keine Rauchgasreinigung statt.

Ulrich Schmidtchen vom Deutschen Wasserstoffverband bleibt dabei: „Das Wasserstoff-Auto ist das drittsauberste Auto.“ Wieso nur das drittsauberste? „Na“, meint er, „das zweitsauberste Auto ist das, was man stehen läßt und das sauberste ist das, was gar nicht gebaut wird.“

Kontaktadresse für interessierte Firmen: Hamburger Wasserstoff-Agentur, Thomas Breitkreuz, Tel.: (040) 278 99-0 oder –243, Fax –211

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