: Schneller zum endgültigen Urteil
FDP-Justizminister Schmidt-Jortzig will Justiz zu „moderner Dienstleistung“ umbauen: Weniger Rechtsmittel und weniger Instanzen. Deutsche Gerichte sind zu langsam ■ Von Christian Rath
Freiburg (taz) – Kurz vor den Wahlen kündigt Justizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) große Pläne an. Er will die Justiz in Deutschland zu einem „modernen Dienstleistungsunternehmen“ umbauen. So soll es vor allem weniger Instanzen bis zum endgültigen Urteil geben. Schmidt-Jortzig verweist auf Untersuchungen, nach denen in Europa das deutsche Justizsystem am längsten für eine abschließende Entscheidung brauche.
Wenn Schmidt-Jortzig weiter im Amt bleibt, will er in drei Schritten vorgehen. Als erstes will er dabei die Rechtsmittel reformieren. In Zivil- und Strafverfahren sollen nur noch in der ersten Instanz Beweise gewürdigt werden. Kommt es zu einer Berufung, dann sollen hierbei nur noch Rechtsfehler oder einzelne Beweiswürdigungen überprüft werden können. Ein erneutes Aufrollen des gesamten Prozesses soll es in Zukunft in der zweiten Instanz nicht mehr geben.
Daß hiermit Rechtsschutz abgebaut würde, glaubt man im Bundesjustizministerium (BMJ) nicht. „Alle Beteiligten müssen dann die erste Instanz ernster nehmen als bisher“, so ein BMJ-Sprecher. Heikel dürfte der Verzicht auf eine zweite „Tatsacheninstanz“ jedoch zumindest bei den „beschleunigten Verfahren“ werden, wo Angeklagte meist ohne Anwalt und Beweiserhebung schon kurz nach der Tat verurteilt werden.
In einer zweiten Stufe will Schmidt-Jortzig den unübersichtlichen vierstufigen Gerichtsaufbau straffen. Landgericht und Amtsgericht sollen zu einer einheitlichen „Eingangsinstanz“ zusammengelegt werden. Für Rechtsmittel blieben die Oberlandesgerichte und der Bundesgerichtshof zuständig. Auch die DDR hatte einen solchen dreistufigen Aufbau, den man im Osten auch gerne behalten hätte. Nach der Wiedervereinigung zeigten sich jedoch die Westländer reformunwillig. Unter dem aktuellen Haushaltsdruck, so hofft man in Bonn, könnte sich inzwischen aber mehr bewegen.
Langfristig, und das wäre dann der dritte Schritt, hofft Schmidt- Jortzig auf Effizienzgewinne durch eine Eingliederung von Arbeits-, Sozial-, Finanz- und Verwaltungsgerichten in die sogenannte „ordentliche Gerichtsbarkeit“. Bisher sind diese Gerichtszweige organisatorisch getrennt, teilweise sind sie sogar anderen Ministerien, etwa den Arbeitsministerien, unterstellt.
Bislang handelt es sich bei diesen Plänen lediglich um politische Absichtserklärungen des Ministers. Immerhin sind aber schon zwei Gutachten in Arbeit, die weitere Schritte vorbereiten. So untersucht das Freiburger Max-Planck- Institut für deutsches und internationales Strafrecht den Aufbau der Strafjustiz in anderen Ländern. Über die Ergebnisse dieser Studien werde dann intensiv mit den Ländern beraten, heißt es in Bonn. Einen Referentenentwurf zur ersten Stufe werde es aber wohl erst Anfang des Jahres 2000 geben.
Auch wenn die FDP der nächsten Regierung nicht angehören sollte, könnten diese Reformpläne ihre Bedeutung behalten. SPD- Schattenjustizministerin Herta Däubler-Gmelin zeigte sich ebenso aufgeschlossen wie Volker Beck, der rechtspolitische Sprecher von Bündnis 90/Grüne. Für die Union warnte allerdings Norbert Geis (CSU) vor einem möglichen „Verlust an Ortsnähe“, wenn kleine Amtsgerichte aufgelöst würden.
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