: Funkensprühende Trompete
Das Philharmonische Staatsorchester eröffnete gestern seine Konzertsaison 1998/99. Auf dem Programm stand neben Gustav Mahlers Sinfonie Nr. 4 die Sinfonie in C des russischen Komponisten Igor Strawinsky. In seiner zweiten Spielzeit als Generalmusikdirektor der Hamburgischen Staatsoper – und damit auch der Philharmoniker – setzt Ingo Metzmacher den Schwerpunkt der insgesamt zwölf Konzerte umfassenden Reihe auf russische und sowjetische Musik. Im Zentrum stehen dabei alle wichtigen Orchesterwerke und Ballettmusiken Strawinskys.
Dabei merkte man Metzmacher, der gestern auch dirigierte, sofort an, daß er weniger Wert darauf legt, den Russen, wie sonst üblich, mit Schmackes zu spielen. Statt dessen konzentrierte er sich ganz auf den eigenen Rhythmus des Werks und arbeitete die strenge Satzform dieser neoklassizistischen Arbeit aus den Jahren 1938 bis 1940 heraus.
Den Vorwurf des Neoklassizismus' und damit des Rückfalls in überholt geglaubte Formen traf auch Gustav Mahler und seine 4. Sinfonie, die 1901 uraufgeführt wurde. Der Komponist selbst war sich bewußt, daß er mit der klassischen Sonatenhauptsatzform den Widerspruch der Romantiker hervorrufen würde. Er war dennoch überzeugt, etwas Neues geschaffen zu haben. „Der erste Satz beginnt, als könne er nicht bis drei zählen“, schrieb er, „dann aber geht es gleich ins große Einmaleins, und zuletzt wird schwindelnd mit Millionen und aber Millionen gerechnet.“
Auch hier wird Ingo Metzmacher dem Anspruch der Musik gerecht. So arbeitet er die Motivführung des Werks souverän heraus. Beispielhaft der ruhige dritte Variationssatz. Behutsam führt der Dirigent das Orchester an das große Tutti im Finale heran, um die Trompete funkensprühend das Thema des vierten Satzes spielen zu lassen. Ein beispielhaftes Konzert, das wie ein Versprechen für die kommende Konzertsaison wirkte.
Eberhard Spohd
weitere Aufführung: heute, 20 Uhr, Musikhalle
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen