Nachgefragt
: Kein ABM-Boom

■ Arbeitsamtschef Hawel zu Kurzzeit-ABM und zur beschworenen Trendwende

taz: Herr Hawel, es gibt ja im Moment eine Diskussion über die Stellenvermittlungen der Arbeitsämter. Die Bundesregierung wertet die gestiegenen Vermittlungszahlen als einen Beleg für eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt. Der Deutsche Gewerkschaftsbund sagt, diese Zahlen kommen nur dadurch zustande, daß die ABM-Stellen besonders in Ostdeutschland ausgeweitet worden sind. Hat sich in Bremen die Zahl der Vermittlungen ebenfalls erhöht?

Christian Hawel, Direktor des Arbeitsamtes Bremen: Die in der Statistik erfaßten Vermittlungen haben sich nicht erhöht. Wir haben da ein leichtes Minus. Aber daneben muß man Instrumente wie das elektronische Stelleninformationssystem sehen, das in Bremen sehr gut genutzt wird. Wenn jemand darüber eine Stelle findet, können wir das statistisch nicht erfassen. Ein Indikator für eine Verbesserung des Marktes ist der erhöhte Stellenzugang. Daran partizipieren auch Arbeitslose.

Wie hat sich das Verhältnis von Vermittlungen in AB-Maßnahmen und reguläre Stellen entwickelt? Gibt es einen ABM-Boom?

Leider gibt es keinen ABM-Boom in Bremen. Wir haben im Schnitt jetzt 1.500 ABM-Beschäftigte und würden bei deraktuellen Arbeitsmarktsituation etwa 2000 Stellen benötigen.

Warum gerade 2.000?

Das ist eine Erfahrungsgröße aus der Vergangenheit. Wir hatten ja mal einen Spitzenwert von 4.000 ABM-Stellen in Bremen. Das ist sicherlich ein weit überzogener Wert. Aber mit 2.000 kann man doch sehr viel Bewegung im Markt halten. Man kann ABM als Brückenfunktion benutzen. Denn viele AB-Maßnahmen gehen nach einer bestimmten Zeit in unbefristete Arbeitsverhältnisse über. ABM ist für uns heute noch ein klassisches Instrument der Arbeitsmarktpolitik.

In Ostdeutschland sind Kurzzeit-ABM-Stellen ins Gerede gekommen. Würden Sie solche Stellen einsetzen?

Meine Seele ist da ein bißchen gespalten. Auf der einen Seite sind Kurzzeitmaßnahmen nicht sehr erstrebenswert, es sei denn, es steht eine klare Notwendigkeit dahinter. Auf der anderen Seite sehen wir ja auch die soziale Betroffenheit der Arbeitnehmer, die dann wenigstens für ein paar Monate volles Gehalt oder vollen Lohn haben. Damit schaffe ich auch eine gewisse Kaufkraft. Unter diesem Aspekt muß man das auch sehen.

Man hört in letzter Zeit von mehr ABM-Stellen für Kulturprojekte. Sind da verstärkt Stellen bewilligt worden?

Wir versuchen, den Frauenanteil von 40 Prozent bei den Arbeitslosen auch bei ABM zu erreichen. Weil Frauen nicht leicht im gewerblichen Bereich unterkommen, haben wir Stellen in Kulturinitiativen geschaffen.

Die Stellenvermittlungen in Bremen sind zurückgegangen. Ist das saisonal bedingt oder ein konjunkturelles Problem?

Die Stellenvermittlung in der Geschäftsstatistik ist zurückgegangen. Aber insgesamt haben wir mehr Leute in Arbeit gebracht, weil sehr viele auch unsere elektronischen Instrumente für die Stellensuche genutzt haben. Die haben hier einen anderen Stellenwert als in ländlichen Regionen wie Vechta oder Verden. Im Stadtstaat sind die Wege zu den Terminals unseres Stelleninformationssystems kürzer.

In welche Branchen wird denn vermittelt?

Das Geschäft boomt bei den Zeitarbeitsunternehmen. Hier haben wir etwa 20 Prozent der offenen Stellen. Wir haben Vermittlungserfolge sowohl im Automobilbereich als auch im Einzelhandel. Was nicht so läuft, ist der Bau, obwohl wir das in Bremen etwas stabilisieren konnten. Auch im Dienstleistungsbereich haben wir eine erhöhte Nachfrage und registrieren auch Arbeitsplatzgewinne. Insgesamt haben wir ja in Bremen in den letzten vier Jahren 13.000 Arbeitsplätze verloren, aber immerhin 3.000 im Dienstleistungsbereich gewonnen. So haben wir etwa im Bereich Call Center eine ständige Nachfrage.

Sind diese Jobs sozialversicherungspflichtige Vollzeitjobs?

In der Regel ja. Aber im Handel wird sehr stark auf 620-Mark-Jobs ausgewichen, wobei die uns nicht direkt tangieren.

Sehen Sie denn in Bremen die beschworene Trendwende auf dem Arbeitsmarkt?

Von einer Trendwende würde ich nicht sprechen. Aber wir lagen in den letzten drei Monaten marginal unter der Arbeitslosenquote des Vorjahres. Wir sind noch in einem heftigen Umstrukturierungsprozeß. Im Augenblick wird die Wirtschaft hier getragen durch den Export. Aber wir hoffen, daß auch die Binnenkonjunktur anspringt.

Aber der Boom im Export schlägt sich noch nicht auf dem Arbeitsmarkt nieder?

Wir kriegen zwar mehr offene Stellen. Aber nach wie vor haben wir ein Defizit an Arbeitsplätzen. Fragen: J. Fahrun