Škoda läuft wieder in Sarajevo vom Band

Volkswagen eröffnet Autofabrik in der bosnischen Hauptstadt neu. Konzern will rund 50 Millionen Mark investieren und 1.200 Arbeitsplätze schaffen. Kinkel spricht von wichtigem Schritt beim Wiederaufbau Bosniens  ■ Von Erich Rathfelder

Sarajevo (taz) – Als „eine Investition von hoher politischer Bedeutung“ bezeichnete der deutsche Außenminister Klaus Kinkel die Wiedereröffnung des Volkswagenwerks in Vogosca bei Sarajevo. Als der erste Wagen des neuen Škoda Felicia vom Band rollte, klatschte er ebenso Beifall wie die zahlreichen Gäste, unter ihnen Präsident Alija Izetbegović und der ehemalige österreichische Bundeskanzler Franz Vranitzki. Zum ersten Mal nach dem Krieg in Bosnien-Herzegowina wurde eine Investition großen Stils in diesem Land nicht mehr nur angekündigt, sondern auch realisiert.

Der Chef der Volkswagen AG, Ferdinand Piäch, erklärte, die Investition sei ein Beitrag seines Hauses „für den Frieden und die Stabilität in der Region“. Das Werk werde ab jetzt zunächst mit 50 Arbeitern mit der Montage von in dem zum Volkswagenkonzern gehörenden Škoda-Werk in Tschechien produzierten Teilen beginnen. In zwei Jahren werde das Werk Vogosca 1.200 Menschen beschäftigen und bis zu 35.000 Wagen im Jahr produzieren. Weiterhin würden Teile für andere Volkswagen-Produktionstätten in Vogosca gefertigt. „Wir gehen davon aus, daß sich zudem eine Reihe von Zulieferfirmen ansiedeln werden.“

Vogosca ist ein Vorort Sarajevos in der ehemals von Serben besetzten Zone um die Stadt. Vor dem Krieg wurden hier in dem seit 20 Jahren bestehenden Werk mit 3.500 Arbeitern rund 400.000 Volkswagen der Marke Golf produziert. Mit dem Kriegbeginn 1992 stoppte die Produktion, ein Teil der Werkshallen wurde von serbischer Seite für den Bau von Granaten genutzt. Im Frühjahr 1995, kurz bevor diese Region gemäß dem Abkommen von Dayton an die bosniakisch-kroatische Föderation fiel, wurde das Werk von serbischen Arbeitern demontiert.

Heute ist ein Teil der Werkshallen wieder hergerichtet. Entschädigungen verlange die Volkswagen AG nicht, erklärte Piäch, „wir werden vorwärts blicken“. In dem Werk in Vogosca, an dem die bosnische Gesellschaft Unis 42 Prozent der Anteile hält, würden in Zukunft Arbeiter aller Volksgruppen in Bosnien-Herzegowina beschäftigt werden. Kinkel betonte in seiner Rede den Stellenwert dieses gesellschaftlichen Aspektes der Investition. „Wenn hier gezeigt wird, daß trotz des verheerenden Krieges Mitglieder aller Volksgruppen zusammenarbeiten, wird dieses Beispiel auch in anderen Betrieben Schule machen.“

Die Eröffnung des Werkes in Vogosca wurde mediengerecht in Szene gesetzt und diente Klaus Kinkel auch als Wahlkampfplattform. So jedenfalls beurteilte der SPD-Politiker Klaus Verheugen den Vorgang. „Das Werk“, so Verheugen, „hätte schon vor sechs Wochen eingeweiht werden können.“ Kinkel betonte, wieviel deutsche Hilfe Bosnien-Herzegowina unter seiner Amtsführung erhalten habe. Deutschland habe den größten Teil der humanitären Hilfe geleistet und doppelt soviel Flüchtlinge aufgenommen wie alle anderen Länder zusammen. „Deutschland wird auch weiterhin Bosnien- Herzegwoina zur Seite stehen.“

US-Außenministerin Madeleine Albright kritisierte gestern in einer Pressekonferenz in Sarajevo, die überstürzte Rückkehr der Flüchtlinge aus Deutschland könnte zu einer Destabilisierung des Landes führen. Der US-Sondergesandte Gelbard wurde noch deutlicher: Die Rückführung der Flüchtlinge ähnele der Praxis, „die Flüchtlinge an Fallschirmen aus dem Flugzeug zu werfen“. Kinkel erklärte dagegen, die deutsche Politik sei fair gegenüber den Flüchtlingen, man wolle eine menschliche Rückkehr. Dazu müßten jedoch noch einige politische Voraussetzungen geschaffen werden. „Auch die Republika Srpska müsse Flüchtlinge zurückkehren lassen, die meisten der in Deutschland befindlichen Flüchtlinge sind Vertriebene aus der Republika Srpska.“ Darin war sich der deutsche Außenminister mit Madeleine Albright einig. „Wer die Bedingungen von Dayton nicht erfüllt, wird nicht mehr mit wirtschaftlicher Hilfe rechnen können.“