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„Ich bin so großzügig“

Kiez-Mogul Bartels vermietet „Hotel Interrast“ neu. Stadt wird vorzeitig aus Mietvertrag für umstrittene Flüchtlingsunterkunft entlassen  ■ Von Elke Spanner

Noch in diesem Herbst wird die Flüchtlingsunterkunft im „Hotel Interrast“ geräumt. Der Besitzer, Kiez-Mogul Willy Bartels, bestätigte gestern gegenüber der taz: „Ich habe die Stadt zum 30. September aus den Verträgen entlassen.“ Ein Nachmieter für die beiden Gebäudeflügel auf der Reeperbahn, in denen früher das „Eros-Center“ beherbergt war, ist bereits gefunden: In den nächsten Tagen will Bartels einen neuen Mietvertrag mit dem Investor Hermann Müller unterzeichnen.

Müller scheint damit auf dem besten Wege, sich die Krone des neuen Kiez-Königs aufzusetzen. Jüngst hatte der Kölner Bordellbesitzer angekündigt, Anfang nächsten Jahres das Niebuhr-Hochhaus am Nobistor zu einem „einmaligen Freizeit- und Vergnügungszentrum“ umzubauen. Das Interrast liegt in unmittelbarer Nachbarschaft.

Mit seinen Plänen ist Bartels der Stadt einen Schritt voraus. Der Sprecher des Bezirksamtes Mitte, Gerthold Roch, wies gestern darauf hin, daß die Verträge mit Bartels noch nicht endgültig gelöst seien. Er sei lediglich „zuversichtlich, daß wir frühzeitig rauskommen“. Bestätigen konnte er indes, daß bereits Alternativunterkünfte für die restlichen BewohnerInnen der Flüchtlingsunterkunft gesucht würden, so daß diese „vielleicht Ende Oktober umziehen“ können.

Ursprünglich sollte der Interrast-Mietvertrag bis Februar 2000 laufen. Der Bezirk hatte zwar schon vor einem Jahr festgestellt, daß immer weniger Flüchtlinge nach Hamburg kommen und Zimmer benötigen, die Massenunterkunft Interrast folglich nicht mehr ausgelastet sei. Die rechtlich mögliche Kündigung zu diesem Februar verbummelte der Bezirk indes. Darauf wurde ihm vorgeworfen, Geld zu verschleudern. Bartels kassiert knapp eine halbe Million Mark Miete im Monat.

Ende Juni schien ein Kompromiß mit Bartels in Sicht: Der Vertrag sollte bis 2000 weiterlaufen, die Anzahl der angemieteten Betten jedoch reduziert und deren Mietpreis von 22 auf 16 Mark pro Nacht gesenkt werden. Nun löst Bartels den Vertrag mit der Stadt ganz auf: „Ich bin so großzügig.“

Zu seinem großherzigen Schritt sieht sich der Immobilienkönig durch den Hamburger Flüchtlingsrat genötigt. Der prangerte nämlich die „menschenunwürdigen Bedingungen“ im Interrast an. Etliche Familien zogen in der Folge aus dem Interrast aus, so daß die übrigen BewohnerInnen in Einzelzimmer ziehen konnten. Und die möchten sie nun nicht mehr aufgeben. Vor einer Woche baten sie das Bezirksamt in einem Brief, im Interrast bleiben zu dürfen.

Bezirksamtssprecher Roch ist nun „irritiert“. Er hofft „auf die Zusammenarbeit mit den KritikerInnen des Interrast bei der Suche nach neuen Unterkünften“. Die sind dazu gerne bereit. Franz Forsmann vom Flüchtlingsrat: „Beim Umzug müssen die Flüchtlinge den gleichen Standard bekommen, den sie nun endlich im Interrast haben: Einzelzimmer mit Dusche.“

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