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Fünfzig Jahre Warten auf einen Gerichtshof

■ Im Kalten Krieg mochte man sich nicht auf die Einrichtung eines internationalen Strafgerichts einigen. Die heutigen Tribunale für Kriegsverbrechen sind umstritten und werden behindert

Juristisch geahndet wurde Völkermord erstmals durch die beiden Internationalen Militärtribunale, die die vier Siegermächte des Zweiten Weltkrieges (USA, Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich) 1945 in Nürnberg und Tokio etablierten. Diese Verfahren verhandelten außerdem „Verbrechen gegen den Frieden“ (Planung und Führen eines Angriffskrieges) sowie bereits durch die Haager Konventionen von 1907 verbotene „Kriegsverbrechen“. „Völkermord“ wurde damals noch unter „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ subsumiert.

In der wesentlich unter dem Eindruck des Holocaust enstandenen „Genozid-Konvention“ der UNO-Generalversammlung von 1948 wurde Völkermord dann als eigenständiges „Kernverbrechen“ eindeutig und juristisch handhabbar definiert. Schon in dieser Konvention war auch die Einrichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichts (ICC) zur Ahndung künftiger Völkermordverbrechen vorgesehen. Doch alle Versuche der UNO-Generalversammlung, sich auf das Statut für einen ICC zu einigen, scheiterten in den folgenden 50 Jahren an den Rivalitäten des Kalten Krieges und der grundlegenden Abneigung zahlreicher UNO-Staaten, souveräne Rechte an eine neue internationale Institution abzugeben. Unter dem Eindruck der Kriegsgreuel in Kroatien und Bosnien etablierte der UNO- Sicherheitsrat 1993 dann das Den Haager Ad-hoc-Tribunal für die Kriegsverbrechen in Ex-Jugoslawien. Da entsprechende Verbrechen der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates seit den 60ern – zum Beispiel in Afghanistan, Vietnam oder Algerien – ungeahndet blieben, stieß dieser Gerichtshof nicht nur in Serbien zwangsläufig auf den Vorwurf der „Selektivität“ und der „historischen Ungerechtigkeit“.

Das Den Haager Tribunal kann seine Aufgabe nur bedingt erfüllen, weil ihm die UNO-Mitgliedsstaaten die erforderlichen finanziellen und personellen Mittel vorenthalten. Deshalb kann das Tribunal längst nicht in allen Fällen ermitteln, die durch Berichte einer UNO-Expertenkommission sowie des Sonderberichterstatters für die Menschenrechtslage in Ex-Jugoslawien bekannt sind. Auch wird den nach Den Haag geladenen ZeugInnen und Opfern von Kriegsverbrechen wegen der knappen Ressourcen nur ein völlig unzureichender Schutz gewährt. Die Regierungen in Washington, Paris und Bonn halten dem Tribunal weiterhin wichtige Erkenntnisse und Beweismittel vor, die ihre Geheimdienste zum Beispiel vor und während der Eroberung der UNO-Enklave Srebrenica im Juli 1995 gewonnen haben. Durch die Regierungen der fünf Garantiemächte des Dayton-Abkommens (USA, Rußland,Großbritannien, Frankreich und Deutschland) stehen das Tribunal und sein Chefankläger zudem unter Druck, keine Verfahren gegen die Präsidenten Restjugoslawiens und Kroatiens, Slobodan Milošević und Franjo Tudjman einzuleiten, obwohl dem Tribunal hierfür längst ausreichende Beweise vorliegen.

Das 1994 etablierte Ruanda- Tribunal in Arusha leidet zwar weniger unter derartigen politischen Interessen und Rücksichtsmaßnahmen wichtiger UNO-Staaten. Doch die ebenfalls völlig unzureichenden Ressourcen, großes Chaos in der Verwaltung und juristisch zum Teil höchst fragwürdige Verfahren haben dem Tribunal erhebliche Kritik eingetragen. Ende Juli legte ein schwedischer Richter unter Protest sein Amt nieder.

Ob die beiden Tribunale Vorbild für weitere ähnliche Einrichtungen sein können, ist daher höchst umstritten. Konsens herrscht lediglich darüber, daß sie den Druck für die Einrichtung eines ständigen Internationalen Strafgerichtshofs befördert haben, dessen Statut im Juli dieses Jahres in Rom gegen die Stimme der USA beschlossen wurde. Ob der ICC allerdings jemals etabliert wird, ist offen. Die USA sind entschlosssen, die für ein Inkrafttreten des Statuts erforderliche Ratifikation durch 60 Staaten zu verhindern. Wenig Aussicht auf Erfolg haben unter diesen Umständen aber auch die Überlegungen der Clinton-Administration, im Sicherheitsrat die Einrichtung neuer Ad-hoc-Tribunale – unter anderem für Kamboschda oder Irak – zu beantragen. Andreas Zumach, Genf

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