■ Ceaușescus Matratzen sollen den rumänischen Tourismus ankurbeln: Einmal Diktator und zurück
Bukarest (taz) – Einmal im Leben Diktator sein? Eine Woche lang Ceaușescu spielen? Neun Jahre nach dem Sturz und der Erschießung des berüchtigten Originals ist das kein Problem mehr. Möglich macht's die Protokollfirma der rumänischen Regierung höchstselbst. Ihr Angebot: sieben Tage lang den Alltag der Ceaușescus nacherleben – vom Empfang mit rotem Teppich, Brot und Salz über die Eßgewohnheiten des Diktatorenehepaars bis hin zur Übernachtung in den Originalbetten. Das komplette Ceaușescu-Set für achtundzwanzigtausend Dollar.
So ernst wie der Preis von 4.000 Dollar pro Nacht und Person auf der Diktatorenmatratze ist auch der ganze Tyrannen-Trip. „Wir wollen weder einen Zirkus veranstalten noch die Ceaușescu-Epoche glorifizieren“, sagt Marius Nica, der Marketingdirektor des sogenannten „Autonomen Regiebetriebes für die Verwaltung des Vermögens des Staatsprotokolls“ (RAAPPS). „Wir wollen einfach eine gewisse Atmosphäre wiedererschaffen und den Touristen etwas Besonderes bieten. Etwas, was sie im Westen nicht finden.“
Die Touristen, fünf bis sechs Personen je Gruppe, werden am Bukarester Flughafen in Nationaltrachten empfangen. Damit es nicht allzu lächerlich wirkt, allerdings ohne die einst unvermeidlichen Fanfarenspaliere und Jubelpioniere. In Ceaușescus Spezial- Buick, einem Geschenk des US- Präsidenten Richard Nixon, geht es dann wahlweise zur Bukarester Villa des Diktators im Primaverii- Viertel oder zur Villa am nahe gelegenen Snagov-See. Die Touristen werden rund um die Uhr bedient, bekommen dreimal am Tag die Lieblingsspeisen des Diktators vorgesetzt und haben vollen Zugang zum Mega-Schnickschnack des „Karpatengenies“: goldene Wasserhähne, mobiles Swimmingpool-Dach, Mini-Luxusdampfer, Weinbunker mit süßer rumänischer Mädchentraube. Auf dem Programm stehen Besuche in Ceaușescus gigantischem „Palast des Volkes“, derzeit „Parlamentspalast“, die obligatorische Eberjagd im Scrovistea-Wald und Übernachtungen in Ceaușescus Urlaubsvillen in den Karpaten.
Auf die Idee für das „Einmal Ceaușescu sein“-Spiel kam Marius Nica, als er feststellte, daß die RAAPPS Dutzende Immobilien und rund 15.000 Gegenstände aus dem Privatbesitz der Ceaușescus nutzlos verwaltet. „Die Amerikaner haben so viel Geld mit Dracula verdient“, sagt Nica, „da haben wir uns gedacht: Machen wir doch auch mal was!“ Es ist nicht der einzige Versuch der RAAPPS, den Namen des hingerichteten Diktators in harte Dollars umzumünzen. Seit kurzem können sich Interessierte im Internet (www.dntb.ro/ users/apps/auto) Ceaușescus Limousinen, Boote sowie Hunderte Geschenke und andere Gegenstände ansehen, die demnächst nebst 1.200 Weinflaschen versteigert werden sollen. Um den Diktatorenramsch loszuwerden, hat Nica auch bei Christie's und Sotheby's angerufen. Die aber winkten bei 875 verstaubten Ceaușescu- Kleidern nur müde ab. Deshalb verschenkt die Protokollfirma sie nun an bedürftige rumänische Altenheime.
Mit den Einnahmen aus dem strikt authentischen Ceaușescu- Pauschalurlaub will die RAAPPS jedoch nicht nur die leeren Regierungskassen füllen. Nica findet auch, das Angebot sei eine „gute Strategie zur Förderung des darniederliegenden rumänischen Tourismus“. Früher kamen jährlich Hunderttausende Touristen nach Rumänien, heute sind es nur noch ein paar tausend. „Unsere Gäste werden auf den Ausflügen zweifellos gezwungen seien, die Realität zu sehen“, sagt Nica, „nämlich, daß Rumänien eben doch nicht nur Dracula und Ceaușescu ist und es sich lohnt, in diesem Land Urlaub zu machen.“ Keno Verseck
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