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Hardthöhe: Von Aufträgen an Serbien nichts gewußt

■ Rühe findet Auftragsvergabe „formal rechtmäßig“, sie soll aber nicht mehr vorkommen

Berlin (taz) – Noch am Mittwoch gab sich Volker Rühe verbindlich. Ein „politischer Fehler“ sei geschehen, gab der Bundesverteidigungminister freimütig zu. Zwar „rechtlich korrekt“, aber politisch falsch sei gewesen, Kampfanzüge der Bundeswehr bei Unternehmen zu bestellen, die diese Aufträge an einer serbische Firma weitergeben.

Vor einer Woche war bekannt geworden, daß seit 1996 Aufträge über die Herstellung von Kampfanzügen an ein Unternehmen im westfälische Gescher vergeben werden. Dieses Unternehmen bezieht die Anzüge beinahe komplett von einem Unterauftragnehmer, der serbischen Firma Yumco. Die produziert im Vranje unweit der Grenze zum Kosovo. Seit 1996 wurden hier wurden 725.996 Stück Feldbekleidung im Gesamtwert von über 25 Millionen Mark für deutsche Soldaten gefertigt. Noch am 27. März 1998 erging ein weiterer Auftrag.

Die Unteraufträge an Yumco haben nach Meinung des Bundesverteigungsministeriums nicht gegen ein Embargo gegen Serbien verstoßen. Die hergestellten Kampfanzüge seien „definitiv kein Kampfmittel“, sondern militärische Bekleidung, deren Einfuhr aus Jugoslawien nicht verboten ist. Deutsche Hersteller von Kampfanzüge berichten hingegen, der deutsche Zoll deklariere Kampfanzüge der Art, wie sie in Yumco gefertigt werden, als Rüstungsgüter.

Wie es überhaupt zu dieser Auftragsvergabe kommen konnte, bleibt ungeklärt. Das zuständige Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung (BWB) war von Anfang an über die Absicht der westfälischen Auftragnehmer informiert, einen serbischen Subunternehmer mit der Produktion zu beauftragen. 1996 besuchte gar ein Mitarbeiter des Bundesamtes Vranje, um sich vor Ort zu überzeugen, daß die gefertigte Ware den Qualitätsstandards der Bundeswehr entspricht. Zwar gibt es auf der Hardthöhe einen Beauftragten für Bekleidungsfragen, aber der sei nie vom untergeordneten BWB informiert worden. Noch am Mittwoch hatte Rühe angekündigt, nun würden „Verfahren und Richtlinien“ entwickelt und sichergestellt, daß bei Auftragsvergabe an ausländische Unternehmen „künftig insbesondere auch eine politische Bewertung durchgeführt“ wird.

Konkret ist bisher nichts geschehen. Weder personelle Konsequenzen noch neue Verfahren oder neue Anweisungen habe es bisher gegeben, sagte ein Sprecher des Verteidungsministeriums der taz. Man verstehe die Aussagen des Ministers eher als „Appell“ an die Mitarbeiter.

Das ausgerechnet das Ministerium Rühes, der sonst lautstark Druck auf die serbischen Machthaber fordert, Geschäfte mit kriegswichtigen Industrien in Serbien macht, kritisiert der grüne Bundestagsabgeordneten Winfried Nachtwei: „Damit wird Milošević ein verheerendes Zeichen gegeben: Ihr braucht unseren Druck nicht zu ernst zu nehmen.“ Robin Alexander

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