piwik no script img

Ermunterung zum Schminken nicht erlaubt

Gegen das Vakuum: Eine Tageszeitung für Frauen

Die besonderen Probleme von Frauen sind in den vergangenen zehn Jahren überall auf der Welt beschrieben und diskutiert worden. Wir hatten das Gefühl, es sei an der Zeit, uns in dieselbe Richtung zu bewegen. Und da es Aufgabe der Medien ist, zu informieren und das Bewußtsein der Leute zu entwickeln, wurde es unabdingbar, eine Tageszeitung für Frauen ins Leben zu rufen.

Derzeit widmet die Presse des Landes sich den Schwierigkeiten und Problemen von Frauen, ihren positiven Leistungen und Fähigkeiten, nur wenig Aufmerksamkeit. Und was bisher als Frauenprobleme diskutiert wurde, ist nur ein Teil der Realität. Ich hatte das Gefühl eines großen Vakuums und habe Zan (Frau) gegründet, um dieses Vakuum zu füllen.

Unser Ziel ist, alle Frauen betreffende Themen zu diskutieren – rechtliche, politische, gesellschaftliche und kulturelle. Zum einen wollen wir unseren Leserinnen Informationen und praktische Hilfestellungen geben, zum anderen wollen wir aber auch ein Diskussionsforum sein. Außerdem wollen wir uns zu allen relevanten Themen – Kultur, Politik, Sport – auch im Rest der Welt umsehen.

Allerdings will Zan ausdrücklich keine Tageszeitung „nur für Frauen“ sein; auch Männer sollten sie lesen. Da die Mehrheit der Entscheidungsträger unseres Landes Männer sind, würde das ihre Entscheidungen sicherlich positiv beeinflussen. Meiner Ansicht nach gibt es keine Frauenprobleme, die sich speziell aus unserer Gesellschaft ergeben: Die Probleme, vor denen Frauen stehen, sind überall auf der Welt die gleichen. Die entscheidende Schwierigkeit besteht überall in der patriarchalen Haltung – die die Menschen überall seit Jahrhunderten regiert. Solange diese Haltung existiert, ist es unwahrscheinlich, daß Frauen ein Wert zugestanden wird. Nur wenn sie verschwindet, wird es unmöglich werden, daß sich Frauen privat und öffentlich von Männern ständige Bevormundungen und Befehle gefallen lassen müssen.

Leider sind auch die Frauen selbst nicht frei von dieser patriarchalen Haltung; sie unterscheiden sehr genau zwischen Söhnen und Töchtern. Die Verantwortung für den Haushalt geben sie an die Töchter weiter, die Söhne brauchen gar nichts zu tun. Die Demütigung, die die Töchter damit schon in der Familie erleiden, führt zu Diskriminierung und Ungleichheit zwischen Männern und Frauen von Kindesbeinen an.

Vor allen Dingen aber besteht in unserer Gesellschaft ein Frauenmangel in den gehobenen Positionen. Außerdem sind Männer und Frauen vor dem Gesetz nicht gleich! Es ist ein Problem, wenn ständig Männer für Frauen betreffende Entscheidungen zuständig sind. Dem Buchstaben nach stellt das Gesetz im großen und ganzen Männer und Frauen zwar gleich, aber es gibt Probleme in seiner praktischen Auslegung und Durchsetzung – und die liegt immer in den Händen von Männern. Diese Probleme sind größtenteils dadurch lösbar, daß Frauen in die Position gelangen, das Gesetz selbst zu formulieren und, was noch wichtiger ist, auch seine Durchsetzung zu überwachen. Ein gutes Beispiel ist die Wiederbelebung der Familiengerichte (die 1968/69 eingerichtet wurden) und die Anwesenheit weiblicher Anwälte während gerichtlicher Anhörungen; Richter sollten sich vor dem Urteilsspruch mit diesen Anwältinnen beraten müssen, dadurch könnten viele der heute noch existierenden Mängel beseitigt werden.

Außerhalb des familiären Bereichs gibt es zahlreiche Klagen von Frauen über Diskriminierung am Arbeitsplatz. Die Besetzung von Stellen und die Auswahl von Kandidaten erfolgt eher nach Geschlecht als nach Leistung. Das ist natürlich nicht nur bei uns so. Fast überall auf der Welt bekommen Männer eine bessere Ausbildung und haben damit bessere Arbeits- und Verdienstchancen. Um das zu ändern, brauchen wir bessere Bildungschancen für Mädchen. Zan wird sich für die Bereitstellung solcher Chancen einsetzen und sie unterstützen; wir werden uns an erfahrene und hochqualifizierte Leute wenden, die im Rahmen unserer gesellschaftlichen Strukturen praktikable Lösungen auf unseren Seiten vorstellen sollen.

Politische Beteiligung heißt nicht nur, zur Wahl zu gehen. Erst wenn Frauen politische Ämter bekleiden, kann man von einer Beteiligung von Frauen an der Politik sprechen. Nach der Revolution haben Frauen etwa in der naturwissenschaftlichen Forschung Beeindruckendes geleistet. In eine angemessene Präsenz an Universitäten oder in Regierungsabteilungen hat sich das nicht umgesetzt – es gibt lediglich eine Frau im Kabinett (die Vizepräsidentin und Vorsitzende der Umweltschutzorganisation Ma'sumeh Ebtekar).

Zu einem gewissen Grad haben sich die Frauen das selbst zuzuschreiben. Sie müssen sich mehr Wissen aneignen und ihre Fähigkeiten ausbilden, damit sie in der Öffentlichkeit aktiv werden können. Dadurch werden ihnen ihre Rechte bewußter, was sie in die Lage versetzt, diese auch zu verteidigen.

Dem Feminismus geht es um die Verteidigung der Rechte der Frauen und nicht, wie einige zu denken scheinen, um die Ersetzung des Patriarchats durch ein Matriarchat. Und er bedeutet auch nicht, den manchmal etwas losen und undisziplinierten Lebenswandel westlicher Frauen zu übernehmen. Das hat damit, wie ich das Wort Feminismus verstehe, nichts zu tun. Wir haben kein Interesse an der Herrschaft der Frauen über die Männer, noch wollen wir, Gott behüte, unbedingte und unbegrenzte Freiheiten. Unsere Forderung ist, daß Frauen rechtlich und gesellschaftlich auf gleicher Ebene partizipieren sollen, ohne Hinweis auf ihr Geschlecht. Diesen Aspekten der gesellschaftlichen Rechte der Frauen, die im großen und ganzen bisher ignoriert worden sind, werden wir Platz einräumen. Wir wollen keine Privilegien, weil wir Frauen sind, aber wir wollen deshalb auch nicht weniger Rechte.

Das „Problem Frau“ im iranischen Pressegesetz

In diesem Frühjahr wurde das Pressegesetz um eine Klausel erweitert. Diese Klausel verbietet „die Ausbeutung von Frauen durch Bilder oder Textinhalte; die Demütigung oder Beleidigung des weiblichen Geschlechts; die Ermutigung, Schmuck zu tragen oder sich zu schminken; das Erzeugen von Konflikten zwischen Mann und Frau unter Bezugnahme auf die Verteidigung ihrer Rechte [gemeint sind: die Rechte der Frau. Anm. d. Red.], die nicht auf legalen und islamischen Grundlagen beruhen“. Dies war ein Versuch, das „Problem Frau“ aus der iranischen Presse zu verbannen.

Eingebracht und verteidigt wurde diese Klausel von den weiblichen Mitgliedern des [parlamentarischen] „Komitees für Frauen, Jugend und Familie“. Eine dieser Komiteefrauen ist es wert, zitiert zu werden: „Nie zuvor hat es einen so progressiven Vorschlag in Sachen Frauen wie diesen gegeben.“ Wir für unseren Teil meinen dazu: Das ist ein seltsames Messer, das seinen eigenen Griff abschneidet...

Natürlich haben alle vom Volk gewählten Abgeordneten das Recht, ihre Meinung zu äußern und abzustimmen, wie ihnen beliebt; ebenso wie ihre Wähler das Recht haben, sie in Zukunft wiederzuwählen oder auch nicht.

Eines ist gewiß: Das Recht mit regressiven Gesetzesvorschlägen zu bekämpfen und fesselartige Klauseln gegen die zunehmende Dynamik iranischer Frauen vorzubereiten, um sie damit immer enger einzuschnüren, ist nur eine Tarnung für ein viel grundsätzlicheres und längerfristiges Ziel: die Zerstörung der Meinungsfreiheit. Beides ist Teil eines breitangelegten Rachefeldzuges gegen eine Mehrheit des Volkes, das sein „Nein“ hierzu bereits in Form eines „Ja“ (d.h. der Wahl Chatamis im vergangenen Jahr) ausgedrückt hat.

In Reaktion auf die unerwarteten Ereignisse des letzten Jahres ist es nur natürlich, daß die Traditionalisten sich organisieren, um wirtschaftliche, politische und kulturelle Hindernisse zu schaffen. Und noch natürlicher ist, daß sie sich dabei auf die Unterdrückung der Frauen konzentrieren, die in der Schaffung der Nation eine so prominente Rolle gespielt haben. Weniger natürlich scheint, daß die Traditionalisten noch immer nicht begriffen haben, daß Frauen – ob es ihnen nun paßt oder nicht – die politische Bühne erobert haben und sich nun als „Teilhaberinnen“ der politischen Gesellschaft begreifen. Sie sind keine Objekte mehr, die von verschiedenen Gruppierungen ausgeführt werden können, wenn es nötig ist, nur um sie dann wieder ins Haus zu sperren, wenn man sie nicht mehr braucht!

Besagte Klausel berührt zwei wichtige Dinge, die Frauen betreffen: zum einen das Verbot ihrer Beleidigung und Demütigung, etwas, das alle, Männer und Frauen, wollen. Dies jedoch auf eine Klausel zu reduzieren – auf der Basis der Interpretation des von den Traditionalisten favorisierten Standpunktes –, lenkt die Öffentlichkeit von den ständigen Demütigungen ab, die Frauen durch unsere Gesetze, Kultur, Politik, Familie und Gesellschaft ohnehin ständig zugefügt werden.

Der zweite Punkt – und offensichtlich der Hauptzweck – dieser Klausel ist das Verbot der „Erzeugung von Konflikten zwischen Mann und Frau unter Bezugnahme auf die Verteidigung ihrer Rechte, die nicht auf legalen und islamischen Grundlagen beruhen“ [im persischen Original ist das Pronomen „ihre“ grammatikalisch neutral, was den Frauen einen Objektcharakter zuweist; verboten werden dabei nicht ihre Rechte, sondern deren Verteidigung; Anm. d. Red.]. In Wahrheit haben die jüngeren Pressediskussionen über bürgerliche und religiöse Rechte das Ziel, Diskriminierungen und Konflikte zwischen Männern und Frauen aufzulösen.

Eine Abgeordnete hat die Presse in einer Rede heftig angegriffen. „Warum“, fragte sie, „steht hier, die Gerichte hätten nichts für Kinder getan, die zu Hause mißbraucht worden sind?“ Vielleicht sollte man ihr erzählen, daß gerade erst kürzlich ein Gericht gezwungen war, in einem Mißbrauchsfall die Zustimmung für die Übertragung des Sorgerechts für ein mißhandeltes Kind auf die Mutter beim Vater einzuholen. Im Islam liegt das Sorgerecht für ein Kind immer beim Vater; selbst wenn er es tötet, riskiert er keine Bestrafung.

Vielleicht glauben die ehrenwerten Damen Abgeordneten ja, das Recht, religiöse und bürgerliche Gesetze zu diskutieren und zu kritisieren, stehe einzig und allein Theologen und Juristen zu. Warum unternehmen dann diese „ehrenwerten Gläubigen“ keinerlei Anstrengungen, einfache rechtliche Lösungen zu finden, die die Frauen aus legalen Sackgassen befreien könnten?! Schließlich haben sie in einigen anderen Fällen Lösungen, d.h. religiöse Formeln gefunden, Tabus zu umgehen – z.B. dafür, daß Banken Profit machen können, man Stör essen darf oder Schach spielen. Der einzig gangbare Weg, mit den Konflikten zwischen Männern und Frauen umzugehen und ihre Bedürfnisse zu befriedigen, besteht darin, die Diskussion über religiöse und bürgerliche Gesetze zu gestatten, und nicht etwa in der Zensur und Einschränkung der Meinungsfreiheit.

Eine weitere beunruhigende Nachricht war die Verabschiedung der „Allgemeinen Prinzipien der Abgeordneten“ Anfang dieses Jahres, in denen es darum ging, medizinische Einrichtungen mit den Vorschriften der Schariah in Einklang zu bringen. Auf der Grundlage dieser Gesetzesinitiative dürfen „Diagnose, Behandlung und Transport von Patienten nur von medizinischem Personal des gleichen Geschlechts ausgeführt werden, in Notfällen von medizinischem Personal des anderen Geschlechts, wenn der höchste Entscheidungsträger der betreffenden Institution dies erlaubt, und zwar in Einklang mit den Vorschriften der Schariah und nur in Begleitung eines männlichen Verwandten des Patienten“.

Wir werden also bald erleben, wie sich von Krankenhäusern abgewiesene Frauen in politisch oppositionelle Gruppen verwandeln. Und: Diese Frauen werden einen solchen Dogmatismus der Religion anlasten und nicht den Verordnungen, die sich die starrsinnigen Hirne der Traditionalisten für sie ausgedacht haben. Man bedenke einmal, wie schwer es überhaupt für Frauen in dieser Gesellschaft ist, nicht vom Glauben abzufallen. Ist diese diskriminierende Haltung nicht gleichbedeutend damit, ihnen zu sagen: „Geht nach Hause und setzt euch dort neben die Frauen Afghanistans“?

Interessant sind auch die vorgesehenen Strafen, falls jemand gegen diese Gesetzesvorlage verstößt: zunächst schriftliche Verwarnungen, dann Geldstrafen, schließlich die Schließung der Institution. An alles hat man gedacht, außer an das Leben einer todkranken Frau, die zufällig gerade keinen männlichen Verwandten bei sich hat. Dieser Gesetzentwurf geht zu weit – sogar weiter als theologische Regelungen dieser Frage. Dort ist nämlich ausgeführt, daß gemäß des Prinzips „Schutz der Religion vor Schuld“, Frauen unter bestimmten Bedingungen von männlichen Ärzten untersucht werden dürfen.

Dieser Gesetzentwurf basiert offenbar auf der Entscheidung, daß man sich zur Verfolgung politischer Ziele selbst über Gott hinwegsetzen darf. Denn im Koran heißt es: „Gott will, daß es dir gut geht und du nicht leidest.“Shahla Sherkat

Sollen Frauen Fußballspiele gucken dürfen?

Als Hunderte von Frauen in das Sportstadium von Nahavand strömten, um sich ein Fußballspiel anzusehen, lösten die Lokalpolitiker und die religiösen Veranstalter des Freitagsgebets der Stadt das Problem dadurch – daß sie sie einfach ließen.

Fareq, ein Sportbeauftragter der Stadt, sagte dazu gegenüber Payam-e emruz: „Die beste Mannschaft der studentischen Fußballvereinigung war nach Nahavand zu einem Spiel eingeladen worden. Etwa 2.000 Frauen der Stadt zogen daraufhin zum Sportfeld und ließen sich schließlich in einer Ecke des Stadions, das immerhin 15.000 Menschen faßt, nieder.“

Zunächst wollten Polizei und Ordnungsbeamte die Frauen aus dem Stadion weisen. Da sie aufgrund dessen Größe jedoch in beträchtlicher Entfernung von den Männern saßen, ließ man sie das Spiel anschauen; auch der Freitagsvorbeter stimmte der Entscheidung zu. Keinem wurde damit wehgetan.

Fareq sagte weiter: „Ursprünglich wollten wir sie daran hindern, weil das in den Sportverordnungen so festgelegt ist. Bis heute wurde Frauen die Erlaubnis, männlichen Spielern zuzuschauen, nicht erteilt. Allerdings gibt es einige Sportarten, bei denen Frauen als Zuschauer anwesend sein dürfen. Es war eine positive Erfahrung, und glücklicherweise ist nichts Schlimmes passiert. Angesichts des Interesses der Frauen am Fußball sollte sich die Sportvereinigung wirklich eine Lösung überlegen.“

Kurz zuvor war es schon einmal zu einem ähnlichen Ereignis gekommen, als in Teheran zahlreiche Frauen in das Azadi- Stadion strömten, um die Feiern anläßlich der Rückkehr der siegreichen iranischen Fußballmannschaft aus Australien mitzuerleben. Auch ihnen gelang es, bei den Feierlichkeiten anwesend zu sein.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen